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Kolumnen

Smalltalk

Immer wieder hat mich Prinz Philipp von England verblüfft. Nicht, weil er es schaffte, stets einen oder zwei Schritte hinter der Königin zu gehen oder dass er mit über 90 Jahren noch Auto fuhr. Nein, was mich beeindruckte war, egal ob er nach dem Wimbledon-Final mit einem Balljungen, an einem klassischen Konzert mit einem der Musiker, an einem offiziellen Anlass mit der Angetrauten des Staatsoberhauptes von Simbabwe oder in Ascot mit einer Pferdepflegerin sprach, stets schien er ein adäquates Thema für ein kurzes Gespräch mit seinem Gegenüber gefunden zu haben. Die Angelsachsen nennen das Smalltalk.

Immer wieder hat mich Prinz Philipp von England verblüfft. Nicht, weil er es schaffte, stets einen oder zwei Schritte hinter der Königin zu gehen oder dass er mit über 90 Jahren noch Auto fuhr. Nein, was mich beeindruckte war, egal ob er nach dem Wimbledon-Final mit einem Balljungen, an einem klassischen Konzert mit einem der Musiker, an einem offiziellen Anlass mit der Angetrauten des Staatsoberhauptes von Simbabwe oder in Ascot mit einer Pferdepflegerin sprach, stets schien er ein adäquates Thema für ein kurzes Gespräch mit seinem Gegenüber gefunden zu haben. Die Angelsachsen nennen das Smalltalk. Smalltalk ist ja eine Form des Plauderns und Plaudern war früher eine angesehene Konversationsform, weil es als unanständig galt sich anzuschweigen. Der Begriff hat jedoch in letzter Zeit eine etwas negative, zum Teil despektierliche Konnotation erlitten. Ein bekannter, populärer, weil äusserst gewandter Plauderer – „Causeur“, wie sich selbst nannte – war Peter Ustinov und von ihm kann man wahrlich nicht behaupten, dass er Stuss geredet hätte. Trotzdem benutzen alle Leute heutzutage nur noch den Begriff „Smalltalk“, der die Abwertung der Bezeichnung Plauderei noch nicht erlitten hat und somit weiterhin als salon- respektive gesellschaftsfähig und halt modern gilt. Weitere Formen des Plauderns sind das Stammtischgespräch, das Pausengespräch, der „Kaffeeklatsch“ und das „Benzin-gespräch“. Letzteres ist eine Form des Plauderns unter Motorradfahrern rund um das Thema Motorrad. Allesamt sibnd Ausdruck einer leichten, beiläufigen Konversation, die dazu dient, das Eis bei der Begegnung neuer Leute zu brechen, erste Kontakte zu knüpfen und Gemeinsamkeiten zu entdecken, indem man sich austauscht. Zudem schaffen diese Arten des Plauderns eine gute und vertraute Gesprächs-atmosphäre, um sich die Zeit angenehm zu vertreiben.
Böse Zunge behaupten Smalltalk sei eine ziellose Kommunikation ohne Tiefgang. Im Grunde genommen haben sie recht, aber obgleich die Themen meist unbedeutend und austauschbar sind, hat das Alltagsgespräch als gesell-schaftliches Ritual eben eine hohe Bedeutung. Es vermeidet wie gesagt peinliches und unhöfliches Schweigen, dient der Auflockerung der Atmosphäre und ist vielfach auch der wohldosierte Einstieg in ein gegenseitiges Kennenlernen. Zudem sind ein paar Worte über den Gartenzaun oder im Büroflur wichtig für die soziale Bindung.
Wer mich kennt, wird es kaum glauben, dass ich in jungen Jahren ein eher schüchterner Typ war. Daneben war ich auch etwas uninspiriert und oft gedankenlos.
Bei Anlässen suchte ich jeweils krampfhaft nach einem Einstieg in ein Gespräch, weil ich etwas besonders Intelligentes oder Kluges sagen wollte. Also sagte ich lieber nichts und stand einfach dumm herum und hatte dafür langweilige Abende und lernte kaum jemanden kennen. Ich wehrte mich gegen eine Unterhaltung mittels einfacher Sätze, die keinem Erkenntnisgewinn dient und einen auch nicht wirklich interessiert. Über Jahre hinweg war ich ein echter Smalltalkmuffel. Ein solcher betrachtet das Alltagsgespräch als oberflächliche und hohle Konversation. Er hält sich für oberflächlich, wenn er sich über alltägliche Themen unterhält und ist daher lieber mundfaul. Das einzige was mir einfiel „übers Wetter reden“ schien mir denn auch wirklich allzu banal. Allerdings habe ich all die Freunde und Kollegen beneidet, die bei jedwedem Anlass sich mit verschiedensten Gesprächspartnern amüsiert und angeregt unterhielten, als ob es das Attraktivste der Welt wäre, sich mit irgendwelchen Leuten über Belangloses zu unterhalten. Eines Tages fasste ich mir ein Herz und beschloss auch ein Partylöwe zu werden. Mein Haarschopf anno dazumal erlaubte es diesen Begriff zu benutzen. Nachdem ich mich also dazu durchgerungen hatte, endlich auch mal anständige Alltagsgespräche zu führen und nicht stets den anderen die Unterhaltung mit schönen Frauen zu gönnen, so habe ich offenbar die dümmsten und kontroversesten Themen ausgesucht um mich sozial zu binden. Wenn es die Ratgeber betreffend Smalltalk („Smalltalk für Anfänger“, „Nie wieder sprachlos“, „Die Kunst des stilvollen Mitredens“) damals schon gegeben hätte, so wäre mir manches Übel erspart gebelieben, das davon herrührte, dass ich – einmal angehoben zu reden - in fast alle Fettnäpfchen des Smalltalks getreten bin, die es gibt, weil ich wiederholt Themen, die zu persönlich und zu kontrovers für ein Alltagsgespräch sind, anschnitt, wie etwa Politik, Religion, Geld, Gerüchte und Tratsch. Diese Themen - lernte ich auf die harte Tour - sind nämlich im Smalltalk tunlichst zu meiden. Und im Sinne einer erfolgreichen Kommunikation ist auch AIDS nicht das Thema, das man als erstes vorbringen sollte. Da hilft dann eben der Ratgeber mit seinen Smalltalk-Fragen zum Einstieg. Einer der hilfreichsten Tipps war aber derjenige, offene Fragen zu stellen, also solche, die man nicht mit Ja oder Nein beantworten kann.
Im Zeitalter der Smartphones und Austauschplattformen heisst Smalltalk „chaten“. Im „Chat“ werden die ewig gleichen Fragen gestellt: „Wo bist Du?“, „Was trägst Du?“, „Bist Du allein?“ und „Was machst Du gerade?“. Fragen, die sich bei einem Smalltalk - wo man sich gegenseitig in die Augen schaut - von selbst ergaben. Aber wenigstens sind es offene Fragen. „Chaten“ findet ja eigentlich nur mit Freunden, Verwandten oder Bekannten statt, also mit Personen, die man schon kennt. Die „chatende“ Gemeinde, pardon „Community“, verlernt so den richtigen Smalltalk oder sie lernt diese Art Gesprächsführung gar nie. Damit vergibt sie sich viele gute Chancen und Möglichkeiten neue Kontakte zu knüpfen, interessante Personen kennenzulernen, Gemeinsamkeiten zu entdecken, sowie eine gute und vertraute Gesprächs-atmosphäre zu schaffen und sich die Zeit in jeder Lebenslage angenehm zu vertreiben. Wirklich Schade.
Persönlich möchte ich den Smalltalk jedenfalls nicht mehr missen.