Nasenstüber

Kolumnen

Bäumiges

Über Bäume sagt man, sie seien die grünen Lungen der Erde, Rohstoff- sowie Energielieferanten und Klimawandelbremsen. Sie zählen in der Tat zu den beeindruckendsten Lebewesen auf unserem Planeten. Wo das Klima nicht zu trocken oder zu kalt ist, dominieren Bäume die Landschaft. Wo sie wachsen, sind sie ein zentraler Baustein des Ökosystems. Unser globales Ökosystem wäre ohne die Leistungen der Bäume gar nicht vorstellbar. Bäume dienen auch dem Schutz. Ein Schutzwald ist ein hohes Gut, denn er beschirmt tiefer unten liegende Siedlungen und Verkehrswege vor Erosion, Lawinen, Muren, Steinschlag und Hochwasser. Aber es gibt noch wesentlich mehr zu sagen über Bäume.
Seit er seinen Bestseller «Das geheime Leben der Bäume» veröffentlich hat, kommt man an Peter Wohlleben nicht mehr vorbei, wenn man über Bäume spricht oder schreibt. Der diplomierte Förster erzählt in diesem Buch – meiner Meinung nach etwas an der Esoterik kratzend - faszinierende Geschichten über die ungeahnten und höchst erstaunlichen Fähigkeiten, über welche Bäume verfügen sollen, so zum Beispiel, dass sie miteinander kommunizieren, ihren Nachwuchs, aber auch alte und kranke Nachbarn liebevoll umsorgen und pflegen, Empfindungen haben, Gefühle und ein Gedächtnis. Er erklärt des weiteren, wie Bäume über ihr Wurzelsystem mit einem Pilz, dem Mykorrhiza, Kontakt aufnehmen und damit mit anderen Bäumen Informationen austauschen können. Er nennt es das "Wood Wide Web".Weiterlesen...

Die zehn Wörter des Jahrzehntes

Alle Jahre wieder sind wir gespannt - nicht ob der Weihnachtsmann kommt, nein - sondern welcher Ausdruck es zum „Wort des Jahres“ schafft oder anders gesagt, welchen Begriff die befugte Kommission zum „Wort des Jahres“ wählt. In Deutschland wird diese Auslese seit 1977 von der Gesellschaft für deutsche Sprache publiziert. Der Tatsache überdrüssig, dass in der Folge immer häufiger Begriffe gewählt wurden, die einen spezifischen Bezug zu Deutschland hatten, begannen die anderen Länder des deutschsprachigen Raumes ihre eigenen Wörter des Jahres zu wählen. So beschlossen Österreich 1999 und die Schweiz anno 2003 die Kürung eines eigenen Wortes des Jahres. Zudem wird jährlich - was offenbar bedeutend leichter zu bewerkstelligen ist - ein „Unwort“ gewählt, ab und an auch ein „Satz des Jahres“ und seit 2008 wird auch ein „Jugendwort des Jahres“ veröffentlicht. Mal handelt es sich beim Wort des Jahres um einen Neologismus, der offenbar in der sogenannten Szene populär ist, mal wird die Statistik bemüht und man wählt gemeinhin das von den Journalisten am häufigsten verwendete, mal trifft die Wahl einen Ausdruck, der in der Politik zu einem beliebten Bonmot avancierte.Weiterlesen...

Schreiben oder Warum Platon die Schrift verteufelte

Zum Thema Schreiben kommt mir als Erstes eigenartigerweise das Adjektiv gonzo in den Sinn. Erst in zweiter und dritter Linie sehe ich Jean Paul Sartre mit einer Zigarette lässig im Mund, in einem Pariser Bistro, einen Text in sein Notizbuch schreiben oder Ernest Hemingway konzentriert vor seiner Schreibmaschine sitzen.
Zum Begriff Gonzo: Bei der Lektüre eines Artikels über den Journalisten Hunter S. Thompson, hatte der Begriff Gonzo-Journalismus mein Interesse geweckt. Thompson hatte diese Art von Journalismus eigentlich eher durch Zufall kreiert, indem wegen eines Terminproblems, ein ganz und gar unausgereiftes Manuskript von ihm publiziert werden musste, worauf der zuständiger Redaktor diese Art von Text eben als Gonzo-Journalismus bezeichnete. Das Charakteristische daran ist, dass der Gonzo-Journalist sein eigenes Erleben in den Vordergrund stellt. Er schreibt radikal subjektiv, mit starken Emotionen und absichtlichen Übertreibungen. Die Grenze zwischen realen und fiktiven Erlebnissen verschwimmt dabei grösstenteils. Als Stilelemente werden Sarkasmus, Schimpfwörter, Polemik, Humor und Zitate verwendet. Wenn ich all dies etwas überdenke, so komme ich zur Feststellung, dass meine Texte auch von Gonzo angehaucht sind. Nach strengen journalistischen Kriterien handelt es sich beim Gonzo-Journalismus gar nicht um Journalismus sondern um Literatur. Das ist aus meiner Sicht ja geradezu perfekt. Das Adjektiv gonzo steht nun also seit damals als englischer Slang-Ausdruck für „aussergewöhnlich“, „exzentrisch“ beziehungsweise „verrückt». In Bezug auf den Journalismus kann man es etwa mit „deutlich von den Gefühlen des Verfassers geprägt“ und „angefüllt mit bizarren oder subjektiven Vorstellungen, Kommentaren und dergleichen“ übersetzen. Angefeuert von seinem Verleger wurde Thompson durch sein weiteres Schaffen zum bedeutendsten Vertreter des Gonzo-Journalismus. Er definierte den Gonzo-Stil für sich selbst als einen „professionellen Amoklauf“. Der Journalist möchte über ein bestimmtes Ereignis schreiben, das im Extremfall - sollte es gar nicht eintreten - auch selbst arrangiert werden kann. Durch die Technik der Neuen Medien, zum Beispiel in Blogs, erlebt der Gonzo-Journalismus seit den 2000er Jahren eine wahrhafte Renaissance.Weiterlesen...

Fussnotenprosa

Es gibt Leute, die jede Fussnote lesen und solche– wie ich zum Beispiel -, die Fussnoten geflissentlich überlesen. Erstere können nicht umhin, sich jede erdenkliche Information, insbesondere wenn sie denn noch im Kontext einer Lektüre steht, einzuverleiben. Man verpasst ja sonst schon viel. Letztere lassen sich ungern stören und sie empfinden Fussnoten als Ablenkungsmanöver und Störfaktoren ihrer Lektüre.
Nun, Sie haben ein unverschämtes Glück, denn Sie können – wenn Sie denn zu den Fussnotenlesern gehören - hier ein besonders eindrückliches Exempel von Fussnotenprosa (1) lesen.Weiterlesen...

Dem Denken ein Denkmal I

DerDenker

Denken ist anstrengend und fehleranfällig. Trotzdem versuche ich es, denn ist es an der Zeit, mal ein paar Gedanken zum Denken zu Papier zu bringen. Es lässt sich dabei nicht vermeiden, den sattsam wiederholten, in passenden und völlig unpassenden Situationen zitierten, ersten Grundsatz des Philosophen René Descartes zu erwähnen: „Cogito, ergo sum“ (Ich denke, also bin ich), den er 1641 in seinem Werk „Meditationes de prima philosophia“ formulierte.
Irgendwie komplizierter und damit - meiner Ansicht nach - auch noch etwas philosophischer, erscheint mir der Titel eines grossen Hits von Juliane Werding: «Wenn Du denkst Du denkst, dann denkst Du nur Du denkst.» Dabei geht allerdings weniger um das Denken an sich, als vielmehr um das vermeintlich primitive, scheuklappenartige Denken der Männer, denn dass das männliche Denken primär testosterongesteuert sei, ist ein weit verbreiteter Mythos. Wie sagte doch Friedrich Dürrenmatt so pointiert: „Die Frau hat das Denken im männlichen Sinne nicht nötig.“

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Hintergründe

Die Mitglieder meiner Generation erinnern sich bestens und gerne an das Cover, welches die LP „Abbey Road“ der Beatles schmückte. Die vier Pilzköpfe aus Liverpool, wie sie im Gänsemarsch tüchtig ausschreitend einen Zebrastreifen (Fussgängerstreifen) der gleichnamigen Strasse überqueren. Doch den Hintergrund des Bildes haben wir alle nicht mehr im Kopf. (Zur Erinnerung: Man sieht eine endlos erscheinende, schnurgerade verlaufende Strasse, links – mit zwei Rädern auf dem Trottoir - steht ein weisser VW-Käfer und am rechten Strassenrand ist, nebst mehreren anderen Autos, zuvorderst ein London-Taxi parkiert.)
So geht es uns doch mit vielen Hintergründen. Dabei sind es gerade die, welche viele Bilder aber auch Fotographien zu dem machen was sie sind. Bedenken Sie bloss, dass die meisten Selfies ja in der Regel vor einer imposanten, exklusiven, landschaftlich ausserordentlichen oder kulturell trächtigen Kulisse gemacht werden.
Und dann gab es damals auch diesen berühmten Film, der auf einem Detail im Hintergrund des Bilder eines Fotografen basierte: „Blow up“. Sie erinnern sich:
Der erfolgreiche Fotograf Thomas arbeitet im London der 60er Jahre an einem Bildband mit Strassenfotografien. Auf der Suche nach weiteren Motiven macht er in einem Park Fotos von einem Paar, das er jedoch nicht um Erlaubnis gefragt hat, worauf die Dame von ihm die Herausgabe der Fotos verlangt. Sie sagt, dass der Mann, mit dem sie im Park war, ihr Geliebter sei und die Bilder daher vernichtet werden müssten. Der Fotograf überreicht ihr eine Filmpatrone, aber diejenige eines anderen Films. Beim Vergrössern, dem „blow up“, der Fotos des Paares, entdeckt Thomas abseits im Gebüsch einen Mann mit einer Pistole mit Schalldämpfer. Auf Abzügen späterer Fotos ist der Geliebte der Frau reglos unter einem Baum liegend zu sehen. Der Fotograf ist verunsichert. Hat er einen Mord fotografiert?Weiterlesen...

Über Bücher I

„Das Buch ist ein technisch vollendetes Meisterwerk (wie der Hammer oder die Schere), das sich, soviel man auch erfinden mag, nicht mehr verbessern lässt." Diese Aussage stammt von niemand geringerem als Umberto Eco. Doch die erwähnte, durchschlagende Erfindung hatte – ganz im Gegensatz zu unzähligen Start-Ups unserer Zeit - einen schwierigen, harzigen Start, denn die Herstellung der ursprünglichen Materialien Papyrus und Pergament war beschwerlich, zeitaufwändig und teuer, bedeuteten jedoch ein Quantensprung gegenüber den bisherigen Tontafeln.
Eine wirklich geniale Erfindung war diejenige des Kodex. Man kann diesen als „Urbuch“ bezeichnen. Kodex nannte man ursprünglich einen Stapel beschrifteter oder zur Beschriftung vorgesehener Holz- oder Wachstafeln, in der Folge dann ein von zwei Holzbrettchen umschlossener Block gefalteter oder gehefteter Papyrus- oder Pergamentblätter. Die bequemere Handhabung war ein entscheidender Vorteil des Kodex gegenüber der älteren Buchform, nämlich der Schriftrolle. Diese nunmehr führende Buchform hat sich dann seit der Ablösung der Rolle in der Spätantike nicht mehr wesentlich verändert.
Damit aber ein Buch erst entsteht, also aus einem Manuskript ein bequem lesbares Schriftstück wird, braucht es ein gerüttelt Mass an technischen Arbeitsschritten.
Die Herstellung eines Buches ist in der Tat ein interessanter Prozess.Weiterlesen...

Die elektronische Drehscheibe

Die Frau meines Freundes wirkt auf mich wie ein Hub. Als Hub, englisch für Knotenpunkt oder Nabel, bezeichnet man insbesondere Umsteigeflughafen. Luftfahrt-Drehkreuz oder –Drehscheibe, kurz Hub, nennt man nämlich einen Verkehrsknotenpunkt einer Fluggesellschaft oder einer Allianz verschiedener Fluggesellschaften zum Umstieg zwischen Kurz-, Mittel- und Langstreckenflügen.
Kürzlich kam ich mit Silvia, so heisst nämlich die Frau meines Freundes, aus welchen Gründen auch immer, auf Facebook zu sprechen. Ich persönlich weigere mich aus verschiedensten - aus meiner Warte triftigen - Gründen an diesem sozialen Netzwerk teilzunehmen. Da ich also nicht viel über Facebook wusste, ausser dass das Unternehmen an der Börse einige Millionen Dollar wert ist, musste ich eine relativ ausgedehnte Einführung über mich ergehen lassen. Weiterlesen...

Limiten

Leseprobe aus "NASENSTÜBER 3 - Fragmente"


Mit Sicherheit kennen Sie die rechteckigen etwas unscheinbaren Tafeln, die hochkant in etwa zwei Metern Höhe montiert anzeigen wie schnell man gerade fährt. In oranger Farbe wenn man zu schnell fährt, zum Beispiel mit 60 km/h innerhalb einer 50er-Zone, in grünen Ziffern wenn man korrektem Tempo unterwegs ist, also in unserem Beispiel mit weniger als 50 km/h. Orange verursacht zumindest ein leichtes Ziehen in der Magengegend oder je nach Menschentyp sogar eine leichte Atemnot, während die grüne Farbe wohl bei allen die Ausschüttung von Glückshormonen stimuliert und von einer gewissen Süffisanz begleitet ist. Weiterlesen...

Arschloch oder Die Malediktologie

Es ist kaum zu glauben wie viele Arschlöcher auf der Welt herumlaufen, wenn man den wiederholten hunderttausenden Anschuldigungen Glauben schenken will. Ausser in Italien und Spanien, aber davon später. Noch kaumer zu glauben ist, dass es tatsächlich Leute gibt, die sich wissenschaftlich mit Schimpfwörtern und dem Fluchen auseinandersetzen. Einer davon ist Daniel Gutzmann, Linguist und Dozent an der Universität Köln. Seine Wissenschaft der Malediktologie untersucht, wie Schimpfwörter funktionieren und weshalb im Deutschen so oft Fäkalwörter fallen wie in kaum einer anderen Sprache, zudem warum Fluchen gesund ist.
Schimpfwörter sind inzwischen so ubiquitär und auch inflationär, dass es nur logisch ist, dass sich Sprachwissenschaftler nun auch intensiv mit diesen und insbesondere mit Fäkalwörtern auseinandersetzen. Es scheint dies ein Zeichen der Zeit – und meiner Meinung nach eines der generellen Dekadenz – zu sein.
Meine erste unwissenschaftliche Begegnung mit Schimpfwörtern war «Scheisse» und zwar als Dreikäsehoch anlässlich der Vorführung des Films «Der Hauptmann von Köpenick». In diesem Märchen von Carl Zuckmayer aus dem Jahr 1931geht es um die verwegene Machenschaft eines Mannes namens Friedrich Wilhelm Voigt. Letzterer hatte sich im Jahr 1906 in einer fremden Militäruniform mit ein paar Kumpels der Stadtkasse von Köpenick bemächtigt. Der Bürger Voigt zog sich in einer öffentlichen Toilette um, ein Prozess der etwas länger dauerte, weshalb ein niedrigrangiger Militarist, der dringend diese Toilette aufsuchte, empört ausrief: «Herrgott, wer scheisst den hier so lange?». Als Voigt in seiner imposanten Militäruniform eines Hauptmanns aus der Toilette trat, verstummte der Drängler kleinlaut und Voigt zog mit seiner kleinen Truppe unbehelligt von dannen, um das erwähnte Lumpenstück durchzuziehen. Im Nachgang zu diesem Ereignis wird eine solcherart durchgeführte tolldreiste Gaunerei Köpenickiade genannt.
Irgendwie ist es schon komisch, dass schon damals das Verb «scheissen» sich tief in meinem Gedächtnis verankerte. Bedeutend weniger attraktiv für Kinder sind hingegen die abgeschwächten Alternativen wie «Mist» mit seinen jeweiligen Zusammensetzungen (zum Beispiel «Bocksmist») oder Euphemismen wie «Scheibe» und «Scheibenkleister». Weiterlesen...

Der Schrittsammler

Leseprobe aus "NASENSTÜBER 3 - Fragmente"

(Siehe "Bücher")

Jeden Morgen zur selben Zeit wie ich war auch er unterwegs. Immer wenn ich zur Bushaltestelle hinunterlief, fiel er mir auf, der etwas ältere Herr mit etwas wuscheligen Haaren, Hut und einem beigen Regenmantel. Man könnte meinen ein Abbild von Kommissar Maigret. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Herrn R. Mit gesenktem Kopf und etwas vornüber geneigt, ging er gemütlichen oder gemächlichen Schrittes, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Fahrweg entlang, als ob er seine Schritte zählte oder Schritte sammeln würde. Zuerst dachte ich mir überhaupt nichts dabei, denn ein Mann in seinem Alter war allenthalben gut für einen Morgenspaziergang und dass das Dritte Alter einem festgefahrenen Rhythmus folgt ist ja auch sattsam bekannt. Irgendwann begannen wir uns zu grüssen aber das war es denn auch an verbaler Kommunikation. Gelegentlich war Herr R. für ein paar Wochen verschwunden und ich begann mir jedes Mal schon ernsthafte Sorgen zu machen. Aber dann war er wieder da und „sammelte“ weiterhin seine Schritte. ‚Wie auch immer,‘ dachte ich ‘man kann ja allerlei Schritte sammeln: Schritte in die richtige Richtung, grosse, kleine, unregelmässige, zögerliche, feierliche oder erste Schritte.Weiterlesen...

Journalismus morgen

Die klassischen Medien haben ausgedient, nur haben die es bislang noch nicht richtig zur Kenntnis genommen. Insbesondere junge Menschen informieren sich zusehends auf Social Media – oder aber sie konsumieren gar keine Informationsmedien mehr. Das einst federführende und legendäre Facebook hat sich irgendwie selbst ins Offside manövriert. Es scheint eine Tatsache zu sein, dass die Jungen Facebook boykottieren, weil die Alten dort ihr Essen, die Fotos ihrer Hunde und Wellensittiche, nichtssagende Lebensweisheiten, Glückskekssprüche und andere belanglose Dinge posten. Der Messengerdienst Telegram ist zum Übungsgebiet der Massnahmenkritiker, Antisemiten und Impfgegner geworden. Twitter wiederum ist so etwas wie ein virtueller Stammtisch. In dieser Medienblase ist ein Schlagabtausch zwischen Teilnehmern Programm und sind verbale Entgleisungen an der Tagesordnung.
Bleiben von den verbreiteten Plattformen noch Instagram und Tiktok. In einem unlängst veröffentlichten Interview hat die preisgekrönte Social-Media-Reporterin Melisa Erkurt - Journalistin des Portals «Die Chefredaktion», das insbesondere auf Tiktok aber auch auf Instagram präsent ist - erwähnt, dass selbst Instagram für die wirklich Jungen «zu alt» sei. Die 14- bis 18-Jährigen seien auf Tiktok. Diese Altersgruppe spreche am besten auf kurze und humoristische Clips an. Für die zugehörige Reportage würden sich diese Userinnen und User dann bestenfalls von Tiktok auf Instagram klicken. Die Tiktok-Beiträge seien also eine Art Teaser für deren Insta-Storys. Wenn junge Menschen etwas interessiere, so würden sie dran bleiben.Weiterlesen...

Recht auf Faulheit oder Die Kunst der Pause


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«Faule aller Länder vereinigt Euch!» Aber auch dazu seid ihr wahrscheinlich zu faul.
Dabei gibt es ein legitimes Recht auf Faulheit, das auf der Evolution gründet. Doch mehr dazu später.
Faulheit hatte über viele Jahre eine negative Konnotation. Das könnte sich bald ändern. Denn auch für das Spektrum der Faulheit findet sich ein Experte, nämlich in der Person des Harvard-Professors Daniel Liebermann, der sich wissenschaftlich mit der Faulheit beschäftigt. Das Studium der Naturvölker hat ihm gezeigt, dass eine Gesellschaft die als Jäger und Sammler lebt, natürlicherweise, instinktiv ihren Kalorienverbrauch so tief wie möglich halten muss, weil sie eben meist nur spärlich und in geringen Dosen erhältlich waren. Jäger und Sammler konnten aufgrund der kontinuierlichen, intensiven physischen Beanspruchung und der insgesamt nicht sehr kalorienhaltigen Nahrung keine überschüssigen Kalorien anhäufen wie wir, die wir uns doch regelmässig Schokolade, Fast-Food, Prinzenrollen-Biscuits, Pommes-Chips und Milchschnitten einverleiben. Naturvölker müssen ergo mit den ihnen zur Verfügung stehenden vergleichsweise bescheidenen Kalorien bewusst sehr haushälterisch umgehen. Da bietet sich dann eben die Faulheit als eine absolut notwendige Überlebensstrategie an, um Kalorien zu sparen. Man konnte sich nicht erlauben mühsam ergatterte Kalorien leichtfertig zu verbraten.

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Journalismus heute

„Unsere Berichterstattung verschlechterte sich während der Reagan-Jahre weiter, und sie hat sich seither nicht gebessert. Wir sind arrogant geworden,“ schreibt Carl Bernstein, einer der beiden Enthüllungsjournalisten des Watergate-Skandals, in seinem neuesten Buch. An die Stelle von Gründlichkeit und Genauigkeit seien Tempo und Quantität getreten. Aber an dieser medialen Vulgarisierung trage das Publikum eine Mitschuld, denn es verlange ja danach.
Als ich zur Schule ging, war die Rubrik «Unglücksfälle und Verbrechen» ein kleiner und vergleichsweise unbedeutender Abschnitt in der Tagespresse. Aber der Journalismus ist korrupt geworden, hat sich aus seiner ehemaligen, wichtigen Verantwortung gegenüber den Lesern gestohlen und einen unstillbaren Hunger nach Konflikten, Emotionen und Skandalen entwickelt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich offensichtlich nur noch lohnt über Dramen, Katastrophen, Unglücke und Apokalyptisches zu berichten. Dies in der vermeintlichen Meinung, dass sonst die Leser zur Konkurrenz abwandern (wo sie eh nur denselben Stuss lesen).Weiterlesen...

Neue Jahreszeiten und Saisons

Leseprobe aus "NASENSTÜBER 3 - Fragmente"

(Siehe "Bücher")

Da haben wir also die Haupt-, Neben-, Vor-, Nach-, Übergangs- und die Zwischensaison. Wenn Sie der Meinung sind, die Palette der Saisons sei mit der Erweiterung von Jagd-, Ski-, Bade-, Kirschen-, Aprikosen- und so weiter sowie Grillsaison erschöpft, so sind Sie ungenügend informiert, denn seit geraumer Zeit haben wir nicht mehr nur einfach die Jahreszeit Sommer, sondern auch die Sommersaison. Und es kommen laufend neue hinzu. (Nebenbei bemerkt: Für Bier und Wein ist immer Saison, auch für Schokolade.) Zudem behaupten einige Leute hartnäckig, es gebe keine vier Jahreszeiten mehr. Nur noch kalt-nasse und heiss-trockene Perioden. Dabei ist es sogar so, dass zum Beispiel die Basler behaupten, bei ihrer berühmten Fasnacht handle es sich um die fünfte Jahreszeit.
Im Folgenden möchte ich Ihnen aber gerne verraten, dass insbesondere die Mode, die Werbung und der Tourismus neue Saisons und Jahreszeiten kreiert haben.Weiterlesen...

Das verhinderte Drehbuch

Leseprobe aus "NASENSTÜBER 3 - Fragmente"



Schon seit längerer Zeit träume ich davon etwas Spezielles „zu machen“, nämlich ein Drehbuch zu verfassen. Aber bevor ich tüchtig und beherzt in die Tastatur greifen konnte, musste ich mich als Novize für filmische Literatur erst einmal mit der Materie vertraut machen. Als Einstieg in das Thema bemühte ich zunächst zeitgemäss Wikipedia.„Ein Drehbuch,“ so begann der einschlägige Abschnitt „ist ein Arbeitstext, der die Vision eines Filmes in allen relevanten Details beschreibt und sämtliche Dialoge enthält.“ Na ja, das entsprach so in etwa meinen vagen Vorstellungen. „Die besondere Herausforderung besteht darin, allein mit den Mitteln der Sprache eine mehrdimensional erzählte Geschichte darzustellen, die sich neben der Sprache – in Form von Dialogen – auch über das Bild und den Ton ausdrückt. Dabei sollte das Drehbuch jene vorfilmische Textform darstellen, die beim Lesen ein Echtzeiterlebnis vermittelt. Dies bedeutet, dass der Film in etwa so lange dauern wird, wie das Lesen des Drehbuchs Zeit braucht.“ Alles klar. Aber viel hatte ich mit dieser Passage noch nicht gelernt, insbesondere war er überhaupt keine Anleitung um ein Drehbuch schreiben zu können. Das war eher so ein Pauschalbeschrieb.Weiterlesen...

Die Opferrolle

Als Mitglied irgendwelcher Minderheit, gereicht einem das zur Zeit zu unzähligen und ungeahnten Vorteilen. Nicht nur, dass man überproportional wahrgenommen wird, sondern man geniesst auch allerlei Vorzüge und Sonderbehandlungen. Diese können finanziell im Sinne von Subvention oder Unterstützung sein, oder gesellschaftlich, indem man einerseits umschwärmt und umgarnt wird andererseits jedoch als unantastbar gilt. Man geniesst eine Art «Welpenschutz». Es wird erwartet, dass man diesen Teilen der Gesellschaft mit übermässiger Vorsicht und Behutsamkeit begegnet.
Sie selbst wiederum nehmen sich ungezügelte Freiheiten heraus und erlauben sich Dinge respektive Verhalten, für die andere Teile der Gesellschaft geächtet werden. Mittlerweile werden diese Vorteile geradezu penetrant und lauthals eingefordert.
Möglich macht all dies die sogernannte Opferrolle. Sie ist zur Zeit eine Paraderolle für alle, die sich vom Normalen, vom sogenannten Mainstream abheben wollen.
Minderheiten, die sich in einer Opferrolle gefallen, werden inzwischen von vielen Parteien, Organisationen und Institutionen hofiert und umworben. Weiterlesen...

Das Jahrzehnt der Sprache

Das angebrochene Jahrzehnt sei dasjenige der Sprache, heisst es. Das vorgängige – offenbar dasjenige der Schrift - war vor allem geprägt von Kurzmitteilungen. SMS und E-Mail hatten Hochkonjunktur, Twitter, Facebook sowie all die anderen unsozialen Medien waren im Hype. Die Einträge, neudeutsch „posts“, begannen jedoch immer mehr der gesprochenen Sprache zu ähneln, sodass sogar mehrere Lehrer forderten, dass die Schüler künftig phonetisch schreiben dürfen sollten. Auch die Pendlerzeitungen und Online-Newsportale mit ihren Titeln, die suggerieren man müsse den Inhalt gar nicht lesen um informiert zu sein, trugen dazu bei, mit wenig Schrift viel transportieren zu wollen. Und selbst wenn man sich bemühte, die ultrakurzen Texte noch zu lesen, so sprühten sie geradezu vor Banalität, Trivialität und Oberflächlichkeit. (Von Grammatik- und Schreibfehlern will ich hier gar nicht erst reden.) Fakten wurden verflacht, Zusammenhänge vereinfacht und Tatsachen verwässert. Die Menge an Geschriebenem stand zunehmend in krassem Gegensatz zu den Inhalten.Weiterlesen...

Serieophilie - „Soap-Kolumne“ 2/2

Die unbeantwortete Frage der ersten Soap-Kolumne (1/2) lautete: Warum sind wir der Serieophilie so verfallen? Die Ursache liegt zum einen wohl in der uns innewohnenden Empathie. Wir interessieren uns dafür, was in unserem Umkreis, in unserer Gesellschaft vorgeht. Wir haben ein endogenes Sensorium für das Befinden der Mitmenschen, für das Auf und Ab in der Gesellschaft. Zum anderen hängt es mit unserer unersättlichen Lust und Gier auf unendliche Geschichten, die aus dem Leben gegriffen sind, zusammen und drittens langt man irgendwann dort an, wo die Geheimnisse der Gestalten und des Milieus weitgehend enthüllt sind und man sich in einer vertrauten Welt bewegt, in der sich eine gewisse Parität zwischen den Charakteren und dem Zuschauer herausgebildet hat. Man möchte als Zuschauer in dieser Vertraulichkeit immer gemeinsam weiterschreiten und nie aufhören. Weiterlesen...

Stoffe

Ein bisschen erstaunt war ich schon als ich die grosse Palette an angebotenen Stoffen in dem etwas kühl wirkenden Verkaufsladen erblickte. ‚A. Huber – Stoffe aller Art’ stand auf dem kleinen Messingschild neben der Eingangstüre. Das Navigationsgerät meines Autos hatte mich direkt vor den Laden gebracht, sonst hätte ich ihn wohl kaum gefunden. Gebannt schaute ich mich in dem grossen, schlecht beleuchteten Lokal um. Lauter Stoffe: Baustoffe, Geruchstoffe, chemische Stoffe wie Wasserstoff und Sauerstoff, Verbandsstoff, Riechstoffe, Betriebsstoff, was das Herz begehrt. „Das ist ja unglaublich welch reichhaltiges Sortiment an Stoffen Sie hier vorrätig haben.“ sagte ich in einem Tonfall, der sowohl Überraschung wie auch Erstaunen ausdrücken sollte.Weiterlesen...

Von Schlagzeilen erschlagen oder Die Titelei

«Im Kanton St. Gallen kann die breite Bevölkerung ab sofort Corona-Hilfe beantragen», lautete kürzlich der Titel eines Artikels in einem Online-Medium. «Gibt es denn auch eine enge Bevölkerung?» fragte ich mich sofort. Und dies, meine Lieben, ist beileibe nicht der groteskeste und abartigste Titel eines journalistischen Geschreibsels, den ich in den vergangenen Tagen gelesen habe. «Firmen setzen auf Covid-Zertifikat beim Maskentragen oder der Kantine» ist ein weiteres brisantes «Schmankerl» eines unsinnigen fehlerhaften Titels.
Ich hatte mich schon wiederholt gewundert wie unbedarft, ja geradezu oberflächlich und «undeutsch» in letzter Zeit die Titel – heissen ja jetzt «Headlines» – daherkommen. Man kann sich schlichtweg nicht vorstellen, dass Journalisten am Laufmeter solch hanebüchene, vor Grammatikfehlern strotzende und wortungewandte Titel niederschreiben können. Wozu studieren sie denn mehrere Semester? Schliesslich hat mich die Lektüre eines Artikels in einem Online-Portal schier umgehauen. Da stand in grossen Lettern tatsächlich: «Internet killed the headline oder Wenn Textautomaten für Suchmaschinen schreiben.» Da war ich nun wirklich baff. Das Exposé beschrieb wie die künstliche Intelligenz Einzug in die Redaktionen hält, indem behauptet wird, dass Algorithmen nicht nur ganze Texte schrieben, sondern auch Titel und Schlagworte generierten.Weiterlesen...

Wandern statt Action

Es ist ein wunderschöner Sonntagnachmittag. In den Städten herrscht eine schier unerträgliche Hitze aber in der Höhe, genau gesagt auf 1800 Meter über Meer - wo ich mich gerade befinde - ist die Temperatur herrlich angenehm und es weht ein laues Lüftchen. Die Tyrolienne von der Bergstation der Seilbahn 500 Meter hinunter zum tiefblauen Bergsee – heisst hier „Zipline-Flyer“ hat Hochsaison. Ein etwas älterer Berggänger - das könnte durchaus ich sein - schaut sich interessiert die Tafel über die hier oben anzutreffenden Bergblumen an, während um ihn herum das Gejohle der zum See hinunter sausenden Menschen keinen Unterbruch duldet. Er wanderte ein paar hundert Meter dem türkisblau schimmerden Bergsee entlang, wo ihn das überkandidelte Geschrei, das Zetermordio der Kinder im „Adventure Park“ empfingen. Er hatte sich schwer getäuscht, denn er dachte hier wäre es etwas besinnlicher. Gestern war er im Appenzellerland, wo ihn das Gekreisch und die Freudenschreie der Besucher, die rasant die Sommerschlittelbahn hinunter kurvten, fast die Besinnung raubten, während er versuchte die Spitzen des unglaublich schönen Bergpanoramas zu bestimmen.
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Gedankenspaziergänge

Spazieren ist gesund. Regelmässiges Gehen beugt nicht nur körperlichen Beschwerden vor, es ist auch eine Wohltat für den Geist, wie es bereits Hölderlin formuliert hatte. Durch ungetrübtes Spazieren kommt man in einen fast meditativen Zustand. Das passiert allerdings nur, wenn man alleine geht und keine Musik die Ohren beschallt. Die Gedanken kommen und gehen, alles ist im Fluss, genauso wie gleichmässige Schritte. Ohne mich allzu wissenschaftlich profilieren zu wollen, möchte ich an dieser Stelle doch gerne festhalten, dass fundierte Studien zeigen, dass Spazieren gesund ist. So zeigte etwa eine Studie der University of Pittsburgh, dass schon zehn Kilometer langsames Gehen pro Woche dazu beitragen, das Gehirnvolumen und damit die Erinnerungsfähigkeit besser zu erhalten und so Demenz und Alzheimer zu bremsen und laut einer Studie der University of California in Los Angeles verringern schon zehn Minuten tägliches Spazieren das Glaukom-Risiko (Risiko an grünem Star zu erkranken) um 25 Prozent.
„Woher kommen eigentlich die Gedanken?“ fragte mich einst ein Kind.Weiterlesen...

Geflügelte Worte

Entgegen anderweitiger Behauptungen stimmt es absolut nicht, dass Worte wie Amsel, Drossel, Fink und Meise oder Boeing-747, Airbus-A320 und Jumbolino zu den geflügelten Worten zählen. Auch Pegasus, das müssen Sie mir glauben, ist kein geflügeltes Wort (sondern ein geflügeltes Pferd). Als Geflügeltes Wort wird nämlich ein literarisches Zitat bezeichnet, das als Redewendung Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hat, wobei dessen Herkunft im Allgemeinen eindeutig nachgewiesen werden kann. Weiterlesen...

Das Plattitüdenschwein

„Gewiss, es waren sorgsam gewählte Worte, wie immer zu guten Formulierungen zusammengesetzt, und doch klangen sie im Mund von Emmanuel Macron zumindest diesmal, in diesem aufgebauschten Rahmen der präsidialen Ansprache hinter seinem Élyséebüro mit dem plätschernden Brunnen im Garten des Präsidentenpalastes im Hintergrund, so hohl und nichtssagend wie wohl noch nie, seit der im Grunde begnadete Rhetoriker Macron im Amt ist,“ war in einer Analyse der Rede zur Lage der Nation des französischen Staatspräsidenten im Juni zu lesen. Die Rede war tatsächlich eine kolossale Aneinanderreihung von Plattitüden. Doch Präsident Macron ist beileibe nicht hat der Einzige, der sich nicht getraut klare, unmissverständliche und unzweideutige Aussagen zu machen. Sowas braucht Zivilcourage und die kann man ja von einem Politiker, der schliesslich wiedergewählt werden will, partout nicht verlangen. Wenn Macron für jeden Gemeinplatz, den er in seiner Rede benutzt hatte, ein 2-Euro-Stück in ein Plattitüdenschwein hätte werfen müssen, wäre selbst ein riesengrosses Sparschwein prallvoll geworden. (Dabei ist sparen ein Wort, das die Franzosen offenbar selbst in der französischen Übersetzung nicht verstehen.) In der Hochpreisinsel Schweiz müsste man logischer- und konsequenterweise einen „Fünfliber“ (5-Franken-Stück) in das Phrasenschwein werfen.Weiterlesen...