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Kolumnen

Neue Kulturtechniken

Lesen, Rechnen und Schreiben gehören neben Feuer machen, Nahrungsmittelbeschaffung zu den klassischen Kulturtechniken. Obwohl sehr zu Recht und erfreulicherweise mit beachtlichem Erfolg versucht wird das Analphabetentum mit grosser Vehemenz auszumerzen, so ist Lesen bei den jüngeren Generationen - aus welchen Gründen auch immer - in einen Dornröschenschlaf versetzt worden. Deshalb versucht man in jüngster Zeit das Lesen bei Kindern und bei der Jugend mit unterschiedlichsten Mitteln wieder populär zu machen. In der Schule soll mittels eines „ratings“ aufgrund eines Computerquiz das Lesen auf Teufel komm raus gefördert werden und ‚Pizza Hut‘ versucht in den USA mit einer Kampagne, bei der es für zehn gelesene Bücher einen Pizza-Gutschein gibt, dem Lesen Vorschub zu leisten. Eine neuer Beruf hat sich aus diesen Bestrebungen ebenfalls etabliert: die Leseanimatorin. Wohl bedeutend weniger Mühe wird man sich geben müssen den Jungen die neuesten Kulturtechniken schmackhaft zu machen.
Kaum eine technische Entwicklung hat Gesellschaft, Politik und Wirtschaft so extrem beeinflusst wie das Internet. Deshalb gehören Googeln und Wikipedia anklicken schon heute zu den neuen Kulturtechniken. Im Gegensatz dazu nehmen sich ältere bekannte Kulturtechniken wie Salat pflanzen, telefonieren und tanzen geradezu bescheiden heraus. Eine Suche, ein Nachschlagen, was früher oftmals einer länger dauernden Expedition in mehrere Bibliotheken gleichkam, ist heute auf einen Mausklick reduziert. Bei einer Recherche in Lexika oder Enzyklopädien musste man schon mit der korrekten Schreibweise vertraut sein, sonst fand man rein gar nichts. Google hingegen offeriert stets schon eine subtil korrigierende, vorausschauende Interpretation des Suchbegriffes mit der wohl diskreten, jedoch geradezu unterwürfig anmutenden Floskel: „Meinten Sie ...?“. Irgendwie subversiv. Ich kann mir nicht helfen, aber ich fühle mich von Google regelrecht bevormundet. Weiterlesen...