Nasenstüber

Kolumnen

Der Schrittsammler

Leseprobe aus "NASENSTÜBER 3 - Fragmente"

(Siehe "Bücher")

Jeden Morgen zur selben Zeit wie ich war auch er unterwegs. Immer wenn ich zur Bushaltestelle hinunterlief, fiel er mir auf, der etwas ältere Herr mit etwas wuscheligen Haaren, Hut und einem beigen Regenmantel. Man könnte meinen ein Abbild von Kommissar Maigret. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Herrn R. Mit gesenktem Kopf und etwas vornüber geneigt, ging er gemütlichen oder gemächlichen Schrittes, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Fahrweg entlang, als ob er seine Schritte zählte oder Schritte sammeln würde. Zuerst dachte ich mir überhaupt nichts dabei, denn ein Mann in seinem Alter war allenthalben gut für einen Morgenspaziergang und dass das Dritte Alter einem festgefahrenen Rhythmus folgt ist ja auch sattsam bekannt. Irgendwann begannen wir uns zu grüssen aber das war es denn auch an verbaler Kommunikation. Gelegentlich war Herr R. für ein paar Wochen verschwunden und ich begann mir jedes Mal schon ernsthafte Sorgen zu machen. Aber dann war er wieder da und „sammelte“ weiterhin seine Schritte. ‚Wie auch immer,‘ dachte ich ‘man kann ja allerlei Schritte sammeln: Schritte in die richtige Richtung, grosse, kleine, unregelmässige, zögerliche, feierliche oder erste Schritte.Weiterlesen...