Nasenstüber

Kolumnen

Arschloch oder Die Malediktologie

Es ist kaum zu glauben wie viele Arschlöcher auf der Welt herumlaufen, wenn man den wiederholten hunderttausenden Anschuldigungen Glauben schenken will. Ausser in Italien und Spanien, aber davon später. Noch kaumer zu glauben ist, dass es tatsächlich Leute gibt, die sich wissenschaftlich mit Schimpfwörtern und dem Fluchen auseinandersetzen. Einer davon ist Daniel Gutzmann, Linguist und Dozent an der Universität Köln. Seine Wissenschaft der Malediktologie untersucht, wie Schimpfwörter funktionieren und weshalb im Deutschen so oft Fäkalwörter fallen wie in kaum einer anderen Sprache, zudem warum Fluchen gesund ist.
Schimpfwörter sind inzwischen so ubiquitär und auch inflationär, dass es nur logisch ist, dass sich Sprachwissenschaftler nun auch intensiv mit diesen und insbesondere mit Fäkalwörtern auseinandersetzen. Es scheint dies ein Zeichen der Zeit – und meiner Meinung nach eines der generellen Dekadenz – zu sein.
Meine erste unwissenschaftliche Begegnung mit Schimpfwörtern war «Scheisse» und zwar als Dreikäsehoch anlässlich der Vorführung des Films «Der Hauptmann von Köpenick». In diesem Märchen von Carl Zuckmayer aus dem Jahr 1931geht es um die verwegene Machenschaft eines Mannes namens Friedrich Wilhelm Voigt. Letzterer hatte sich im Jahr 1906 in einer fremden Militäruniform mit ein paar Kumpels der Stadtkasse von Köpenick bemächtigt. Der Bürger Voigt zog sich in einer öffentlichen Toilette um, ein Prozess der etwas länger dauerte, weshalb ein niedrigrangiger Militarist, der dringend diese Toilette aufsuchte, empört ausrief: «Herrgott, wer scheisst den hier so lange?». Als Voigt in seiner imposanten Militäruniform eines Hauptmanns aus der Toilette trat, verstummte der Drängler kleinlaut und Voigt zog mit seiner kleinen Truppe unbehelligt von dannen, um das erwähnte Lumpenstück durchzuziehen. Im Nachgang zu diesem Ereignis wird eine solcherart durchgeführte tolldreiste Gaunerei Köpenickiade genannt.
Irgendwie ist es schon komisch, dass schon damals das Verb «scheissen» sich tief in meinem Gedächtnis verankerte. Bedeutend weniger attraktiv für Kinder sind hingegen die abgeschwächten Alternativen wie «Mist» mit seinen jeweiligen Zusammensetzungen (zum Beispiel «Bocksmist») oder Euphemismen wie «Scheibe» und «Scheibenkleister». Weiterlesen...