Nasenstüber

Kolumnen

Arschloch oder Die Malediktologie

Leseprobe aus "Mit meinem Senf dazu"

(Siehe Rubrik "Bücher")

Es ist kaum zu glauben wie viele Arschlöcher auf der Welt herumlaufen, wenn man den wiederholten hunderttausenden Anschuldigungen Glauben schenken will. Ausser in Italien und Spanien, aber davon später. Noch kaumer zu glauben ist, dass es tatsächlich Leute gibt, die sich wissenschaftlich mit Schimpfwörtern und dem Fluchen auseinandersetzen. Einer davon ist Daniel Gutzmann, Linguist und Dozent an der Universität Köln. Seine Wissenschaft der Malediktologie untersucht, wie Schimpfwörter funktionieren und weshalb im Deutschen so oft Fäkalwörter fallen wie in kaum einer anderen Sprache, zudem warum Fluchen gesund ist.
Schimpfwörter sind inzwischen so ubiquitär und auch inflationär, dass es nur logisch ist, dass sich Sprachwissenschaftler nun auch intensiv mit diesen und insbesondere mit Fäkalwörtern auseinandersetzen. Es scheint dies ein Zeichen der Zeit – und meiner Meinung nach eines der generellen Dekadenz – zu sein. Nicht nur Sprachwissenschaftler, nein auch Gehirnforscher beschäftigen sich mit dem Fluchen. Unter dem Titel «Fluchen Sie ruhig – das macht Sie stärker!» war vor kurzem ein Interview mit dem Neurowissenschaftler Henning Beck zu lesen. Gemäss seiner Studien scheinen Schimpfworte einen psychologischen Nutzen zu haben, denn Menschen ertragen zum Beispiel körperliche Schmerzen besser, wenn sie fluchen. Der Grund dafür, so Beck, ist die Tatsache, dass das Gehirn schlecht zwei Sachen gleichzeitig machen kann. Eine Handlung wie das Schimpfen führt dazu, dass man sich mehr auf das Fluchen konzentriere und das Gehirn von der unangenehmen Situation abgelenkt werde. Es müssen aber echte Schimpfwörter sein, nichts Künstliches, Verkopftes. Etwas, bei dem man emotional wirklich dabei ist. Dann fühle man sich nach dem Fluchen tatsächlich besser.Weiterlesen...

Selbstgespräche

Leseprobe aus "Mit meinem Senf dazu"

(Siehe Rubrik "Bücher")

Jahrelang wurde jemand der Selbstgespräche führte, als senil abgestempelt. Das jagt mir Angst ein, denn wiederholt ertappe ich mich, wie ich «Warum geht das jetzt nicht?» oder «Wo habe ich den verdammten Schlüssel hingelegt?» vor mich hin murmle und sehe mich schon als sozial geächteter vor den Toren einer psychiatrischen Klinik stehen. Selbstgespräche, das machen doch nur Verrückte und Spinner!
Und nun dies: « Selbstgespräche helfen der Impulskontrolle, sie fördern die Konzentration und unterstützen die Planung von Handlungen.» Genau dieser Text war kürzlich in einer Tageszeitung zu lesen. Das hat mein Weltbild grundlegend verändert und mein Selbstwertgefühl schlagartig in die Stratosphäre katapultiert. Es ist einem neuen Zeitgeist und insbesondere der Psychologie - zu welcher ich eigentlich ein deutlich zwiespältiges Verhältnis habe- zu verdanken, dass den Selbstgesprächen ein neuer, durchaus positiver Stellenwert zugesprochen wird.Weiterlesen...

Die etwas andere Globalisierung

Am alten Hafen von Marseille steht auf der westlichen Mole ein kleines, längliches Gebäude, die „Intendence Sanitaire“. Die 1719 erbaute Einrichtung diente Ärzten dazu ankommende Matrosen und Fahrgäste von Schiffen, die aus fremden Ländern nach Marseille fuhren, bezüglich Gesundheit respektive Seuche zu untersuchen und notfalls in Quarantäne zu stecken. Die Marseiller Intendence Sanitaire war über Jahrzehnte das klassische Modell für die sanitarische Organisation in zahlreichen Häfen des Mittelmeeres. Die Menschen haben sich also bereits sehr früh, will sagen vor 300 Jahren bereits, Gedanken über die Beeinflussung ihrer Gesundheit durch importierte Krankheitserreger gemacht und diesbezüglich Massnahmen ergriffen.
„Globalisierung“ sagte Robert D. Kaplan kürzlich in einem Interview, „ist nichts anderes als Containerschiffahrt.“ Das wieerum besagt nicht anderes, als dass Waren von Australien nach Amerika, von Amerika nach Europa, von Europa nach Afrika, von Afrika nach Asien und von Asien nach Australien verschifft werden. Meiner bescheidenen Meinung nach ist die kontinuierliche Intensivierung des Luftverkehrs mit den zunehmend fallenden Preisen und die damit verbundene rege interkontinentale Reisetätigkeit ebenfalls ein nicht zu vernachlässigender Faktor der Globalisierung, denn Globalisierung kann ja nicht nur als ökonomischer Faktor betrachtet werden. Ob die Globalisierung ein Segen oder ein Fluch ist, bleibt im Moment noch eine offene Frage. Weiterlesen...

Einkaufen

Einkaufen scheint im Moment unsere liebste Freizeitbeschäftigung zu sein. Aber warum eigentlich kommt einem beim Stichwort „Einkauf“ stets zuerst ein überbordender Einkaufswagen in den Sinn oder warum sieht man das Bild einer Dame mit mindestens je zwei Einkaufstaschen in jeder Hand vor sich? Sind wir alle schon so degeneriert, dass wir einkaufen automatisch mit einem Event in einem Supermarket oder gar in einer Einkaufs-Mall assoziieren sowie mit einem gigantischen Berg an Lebensmitteln oder sonstigem Zeugs? Kein Gedanke an einen Krämerladen oder eine Bäckerei in der Altstadt, eine Metzgerei in der Dorfmitte oder eine Gewürzhandlung in einem Aussenquartier. Aber man nennt uns ja nicht umsonst Konsumgesellschaft.
Schon bevor man den Laden betritt steht man vor der ersten Hürde: Soll ich lediglich einen Korb, einen Korb mit Rädern oder gar einen Einkaufswagen nehmen? Bei den meisten Internet-Versandläden heisst es auch „In den Einkaufswagen“ und nur selten „In den Einkaufskorb“, offenbar in der Annahme, dass ein Grosseinkauf stattfindet.
Wenn es eine Weltmeisterschaft im Einkaufen gäbe so könnte sich meine Frau problemlos bewerben.Weiterlesen...

Die Kraft der Symbole

Sattsam bekannt sind die Symbole für Glück wie Marienkäfer, Hufeisen, Kaminfeger sowie der vierblättrige Klee. Aber erinnern Sie sich noch daran, wie die Tatsache, dass Paul McCartney auf dem Cover des Beatles-Albums „Sgt. Peppers Lonely Hearts Band“ barfuss abgebildet ist, damals als Hinweis - ja geradezu als Beweis - angeführt wurde, dass er gestorben sei. Ein krasses Beispiel für die Kraft der Symbole.
Unter einem Symbol versteht man ein bildhaftes, anschauliches, wirkungsvolles Zeichen für einen Begriff oder Vorgang, oft ohne erkennbaren Zusammenhang mit diesem. Symbole, wie sie in Religion, Mythos oder Kunst vorkommen, lassen sich in ihrer Bedeutung oft nicht rein rational übersetzen oder interpretieren. Sie enthalten einen sogenannten Bedeutungsüberschuss.
Häufig verwendete Symbole sind etwa das Herz, stellvertretend für Liebe und Gesundheit, die Taube, welche für Frieden oder Liebe steht, der Baum, der Wachstum, Stabilität und ewiges Leben symbolisiert oder die Eule, die Weisheit und Intelligenz repräsentiert. Geläufig sind einem auch die unheilvollen Symbole Sense und Stundenglas. Sanduhren stehen für die Lebenszeit und damit auch die Sterblichkeit. Gläser - zum Beispiel kostbar verzierte Gläser, wie sie in Stillleben dargestellt werden - stehen einerseits für Luxus, andererseits versinnbildlicht die Klarheit des Glases Keuschheit. Weiterlesen...

Talkshows oder Wo sind die Salonnières?

Talkshows wollen heutzutage das übernehmen, was früher nur einigen Wenigen der Elite vorbehalten war, nämlich die Teilnahme an gepflegten Gesprächsrunden oder anderen kulturellen Veranstaltungen in den sogenannten Salons. Diese Demokratisierung inspirierter Konversationen wäre eigentlich sehr begrüssenswert.
Ein Salon war eine vom 17. bis ins 19. Jahrhundert verbreitete Form der Geselligkeit. Dabei handelte es sich vorwiegend um literarische Salons. Diese waren ein zumeist privater gesellschaftlicher Treffpunkt für Diskussionen, Gespräche und Lesungen. Daneben gab es auch künstlerische Salons unter anderem mit musikalischen Darbietungen aber auch politische und wissenschaftliche. Vor allem wohlhabende und gebildete Frauen, oft adeliger Herkunft, betätigten sich als Gastgeberinnen und wurden in dieser Eigenschaft Salonnière genannt. Die Gastgeber der bedeutendsten Salons waren nie die Mächtigen. Aber gerade diese Position gestattete ihnen, das zu bieten, was ein Salon bieten musste: ein neutraler Boden für die verschiedensten Hierarchiestufen, Professionen und Temperamente. Die Salonnière war in erster Linie Gastgeberin. Sie wählte die eingeladenen Gäste aus. Wenn nötig, das heisst wenn das Gespräch – das in diesen Salons keine ambitiöse oder gar feurige, geschweige denn auf Provokationen fussende Diskussion war - zu ersticken drohte, setzte sie mit einer feinen, nuancierten Frage oder Bemerkung das Räderwerk der Unterhaltung wieder in Gang. Sie war so etwas wie ein Katalysator, der eine chemische Reaktion in Gang setzt. Weiterlesen...

Die Kraft der Symbole

Sattsam bekannt sind die Symbole für Glück wie Marienkäfer, Hufeisen, Kaminfeger sowie der vierblättrige Klee. Aber erinnern Sie sich noch daran, wie die Tatsache, dass Paul McCartney auf dem Cover des Beatles-Albums „Sgt. Peppers Lonely Hearts Band“ barfuss abgebildet ist, damals als Hinweis - ja geradezu als Beweis - angeführt wurde, dass er gestorben sei. Ein krasses Beispiel für die Kraft der Symbole.
Unter einem Symbol versteht man ein bildhaftes, anschauliches, wirkungsvolles Zeichen für einen Begriff oder Vorgang, oft ohne erkennbaren Zusammenhang mit diesem. Symbole, wie sie in Religion, Mythos oder Kunst vorkommen, lassen sich in ihrer Bedeutung oft nicht rein rational übersetzen oder interpretieren. Sie enthalten einen sogenannten Bedeutungsüberschuss.
Häufig verwendete Symbole sind etwa das Herz, stellvertretend für Liebe und Gesundheit, die Taube, welche für Frieden oder Liebe steht, der Baum, der Wachstum, Stabilität und ewiges Leben symbolisiert oder die Eule, die Weisheit und Intelligenz repräsentiert. Geläufig sind einem auch die unheilvollen Symbole Sense und Stundenglas. Weiterlesen...

Die Opferrolle

Als Mitglied irgendwelcher Minderheit, gereicht einem das zur Zeit zu unzähligen und ungeahnten Vorteilen. Nicht nur, dass man überproportional wahrgenommen wird, sondern man geniesst auch allerlei Vorzüge und Sonderbehandlungen. Diese können finanziell im Sinne von Subvention oder Unterstützung sein, oder gesellschaftlich, indem man einerseits umschwärmt und umgarnt wird andererseits jedoch als unantastbar gilt. Man geniesst eine Art «Welpenschutz». Es wird erwartet, dass man diesen Teilen der Gesellschaft mit übermässiger Vorsicht und Behutsamkeit begegnet.
Sie selbst wiederum nehmen sich ungezügelte Freiheiten heraus und erlauben
sich Dinge respektive Verhalten, für die andere Teile der Gesellschaft geächtet werden. Mittlerweile werden diese Vorteile geradezu penetrant und lauthals eingefordert.
Möglich macht all dies die sogernannte Opferrolle. Sie ist zur Zeit eine Paraderolle für alle, die sich vom Normalen, vom sogenannten Mainstream abheben wollen.Weiterlesen...

Hohe Zeit für Deklinologen

Wenn Sie meinen die Rede sei hier von einem Experten für ein Spezialgebiet der Grammatik, so sind Sie auf dem Holzweg. Obwohl ich zugeben muss, dass die Deklination in unserer Sprache arg unter die Räder gekommen ist, will sagen nur noch wenige sich die Mühe geben die korrekten Regeln der Beugung anzuwenden vor allem in E-Mails, Twitter-Beiträgen und SMSs. Aber die grassierende Unsitte macht auch vor den Printmedien nicht halt. Es wäre tatsächlich ein Gebot der Stunde Sachverständige für die Deklination zu ernennen, die auch den jüngeren Generationen den korrekten Umgang mit der Beugung schmackhaft machen könnten. Die Deklination (vom Lateinischen declinare = beugen) beschreibt ja in der Grammatik einer Sprache formal die Regeln, nach denen bestimmte Wortarten (vor allem Substantive, Pronomen, Adjektive und Artikel) gemäss den grammatischen Kategorien Fall, Zahl und Geschlecht ihre Form verändern. Kennen Sie mit absoluter Sicherheit, die Grundsätze für die Deklination aller Substantive, nämlich, dass Feminina im Singular in der Regel unveränderlich, Nominativ, Genitiv und Akkusativ im Plural stets identisch und bei Feminina und Neutra jeweils Nominativ und Akkusativ in Singular und Plural stets identisch sind? Aber lassen wir das mal dahingestellt.Weiterlesen...

Häppchenkultur oder Wie Twitter (resp. X)zu Literatur wurde

Die Hochkulturen sind Vergangenheit. Wir leben aktuell in einer Welt verschiedenster Kulturen. Da gibt es unter anderem die Sklavenhalterkultur, die Pop-Kultur, die Freikörperkultur oder die Weltveränderungskultur, die wir alle schon lange kennen.

Neueren Datums sind die Trash-Kultur, die Verschweigenskultur, die Betroffenheitskultur, die Kommentarkultur und natürlich ganz aktuell die Willkommenskultur.

Das Drehbuch der Kultur hat unterschiedlichste Autoren, die sich alle mit etwas besonders Extravagantem überbieten wollen.

Wenn Sie nun meinen, ich schreibe über die verschiedensten zeitgenössischen Kulturtypen, so liegen Sie völlig falsch. Was ich im Sinn habe, ist, mich mit Ihnen über die aktuell grassierende Unsitte der Häppchen - eben die Häppchenkultur – zu unterhalten.

Bücher über 200 Seiten waren früher für mich ein Gräuel. So viele Seiten, insbesondere noch ganz klein und eng bedruckt, waren klare Kriterien das Buch gar nicht erst in Angriff zu nehmen sondern sofort ungelesen wieder ins Büchergestell zurückzustellen.

Auch heute noch lege ich ein Buch mit 468 Seiten zur Seite. Aber erst etwa bei Seite 420. Ich habe nämlich Angst davor die Geschichte zu Ende gelesen zu haben und danach in ein literarisches Vakuum zu stürzen.

Ein echter Paradigmenwechsel weg von den Häppchen. Weiterlesen...

Als die Bilder lügen lernten

Ungeschminkt nahmen wir noch vor wenigen Jahren an, dass die Porträts, Landschafen oder Gebäude, welche die berühmtesten Maler aller Zeiten auf die Leinwand gebannt hatten, die Wirklichkeit absolut widerspiegeln würden. Grundsätzlich gehen wir doch bei älteren gemalten Bildern von der Echtheit der Darstellungen aus, von einer Treue der Details.In blinder Voreingenommenheit dachten wir, dass die Leute, welche Rubens, Velazquez, Giotto und wie sie alle heissen auf Leinwand gebannt hatten, tatsächlich so aussahen, wie sie von den Künstlern gemalt wurden Verunsichert durch die galoppierende Inflation der Lügen, Schwindel und Unwahrheiten, steigen in einem Zweifel an der vermeintlichen Realität auf diesen Bildern auf. Dass die Landschaften ja wegen der zunehmenden Zivilisation mit Überbauung, Ausbau der Infrastruktur und Verschandlungen nicht mehr so aussehen, wie sie die frühen Maler dargestellt hatten, ist sonnenklar.
Berechtigte Zweifel sind angebracht, ob nicht auch schon in früheren Jahrhunderten Kunstgegenstände geschönt wurden. Weiterlesen...

Von Schlagzeilen erschlagen oder Die Titelei

«Im Kanton St. Gallen kann die breite Bevölkerung ab sofort Corona-Hilfe beantragen», lautete kürzlich der Titel eines Artikels in einem Online-Medium. «Gibt es denn auch eine enge Bevölkerung?» fragte ich mich sofort. Und dies, meine Lieben, ist beileibe nicht der groteskeste und abartigste Titel eines journalistischen Geschreibsels, den ich in den vergangenen Tagen gelesen habe. «Firmen setzen auf Covid-Zertifikat beim Maskentragen oder der Kantine» ist ein weiteres brisantes «Schmankerl» eines unsinnigen fehlerhaften Titels.
Ich hatte mich schon wiederholt gewundert wie unbedarft, ja geradezu oberflächlich und «undeutsch» in letzter Zeit die Titel – heissen ja jetzt «Headlines» – daherkommen. Man kann sich schlichtweg nicht vorstellen, dass Journalisten am Laufmeter solch hanebüchene, vor Grammatikfehlern strotzende und wortungewandte Titel niederschreiben können. Wozu studieren sie denn mehrere Semester? Schliesslich hat mich die Lektüre eines Artikels in einem Online-Portal schier umgehauen. Da stand in grossen Lettern tatsächlich: «Internet killed the headline oder Wenn Textautomaten für Suchmaschinen schreiben.» Da war ich nun wirklich baff. Das Exposé beschrieb wie die künstliche Intelligenz Einzug in die Redaktionen hält, indem behauptet wird, dass Algorithmen nicht nur ganze Texte schrieben, sondern auch Titel und Schlagworte generierten.Weiterlesen...

Das Stellwerk

Das Leben gleicht einem Stellwerk. Es hat etwas absolut Faszinierendes, so ein Stellwerk. Da werden die Züge in unterschiedlichste Richtungen dirigiert und geleitet. Der Job eines Stellwerkangestellten ist denn auch in höchstem Masse anspruchs- und verantwortungsvoll. Aber auch in unserer Sprache haben wir mit dem Wort „stellen“ die Möglichkeit allerlei in verschiedenste Bahnen zu lenken, in divergente und differente Richtungen zu bringen. Und zwar nicht nur nach links oder rechts, nein auch nach oben und nach unten sowie nach hinten und nach vorne. Dazu können wir sogar noch etwas ein- oder ausstellen. Mit unserer Sprache sind wir in der Lage ein mehr als bloss dreidimensionales Stellwerk zu bedienen. Kein Wunder kommt es da sporadisch zu einer Stellwerkstörung.
Immer und überall im Leben wird etwas gestellt: umgestellt, hergestellt, vorgestellt, abgestellt, eingestellt, hingestellt, verstellt, aufgestellt, was Sie wollen.Weiterlesen...

Neue Kulturtechniken

Lesen, Rechnen und Schreiben gehören neben Feuer machen, Nahrungsmittelbeschaffung zu den klassischen Kulturtechniken. Obwohl sehr zu Recht und erfreulicherweise mit beachtlichem Erfolg versucht wird das Analphabetentum mit grosser Vehemenz auszumerzen, so ist Lesen bei den jüngeren Generationen - aus welchen Gründen auch immer - in einen Dornröschenschlaf versetzt worden. Deshalb versucht man in jüngster Zeit das Lesen bei Kindern und bei der Jugend mit unterschiedlichsten Mitteln wieder populär zu machen. In der Schule soll mittels eines „ratings“ aufgrund eines Computerquiz das Lesen auf Teufel komm raus gefördert werden und ‚Pizza Hut‘ versucht in den USA mit einer Kampagne, bei der es für zehn gelesene Bücher einen Pizza-Gutschein gibt, dem Lesen Vorschub zu leisten. Eine neuer Beruf hat sich aus diesen Bestrebungen ebenfalls etabliert: die Leseanimatorin. Wohl bedeutend weniger Mühe wird man sich geben müssen den Jungen die neuesten Kulturtechniken schmackhaft zu machen.
Kaum eine technische Entwicklung hat Gesellschaft, Politik und Wirtschaft so extrem beeinflusst wie das Internet. Deshalb gehören Googeln und Wikipedia anklicken schon heute zu den neuen Kulturtechniken. Im Gegensatz dazu nehmen sich ältere bekannte Kulturtechniken wie Salat pflanzen, telefonieren und tanzen geradezu bescheiden heraus. Eine Suche, ein Nachschlagen, was früher oftmals einer länger dauernden Expedition in mehrere Bibliotheken gleichkam, ist heute auf einen Mausklick reduziert. Bei einer Recherche in Lexika oder Enzyklopädien musste man schon mit der korrekten Schreibweise vertraut sein, sonst fand man rein gar nichts. Google hingegen offeriert stets schon eine subtil korrigierende, vorausschauende Interpretation des Suchbegriffes mit der wohl diskreten, jedoch geradezu unterwürfig anmutenden Floskel: „Meinten Sie ...?“. Irgendwie subversiv. Ich kann mir nicht helfen, aber ich fühle mich von Google regelrecht bevormundet. Weiterlesen...

Verloren: Die Kunst des Debattierens

Die Kunst des Debattierens ist uns abhanden gekommen. Kaum einer beherrscht sie heutzutage noch. Man fragt sich woran das liegt. Zum einen ist es ein Problem, dass heutzutage praktisch jede Diskussion sofort politisiert wird, zum andern gibt es in vielen Bereichen zu viel Konsens, kaum Differenzen, sodass praktisch keine richtige Diskussion mehr entstehen kann. Man sucht sich – weil es bequem ist und keinen Störfaktor zulässt - ein Forum der Gleichgesinnten. Die sozialen Medien bieten dafür eine geradezu ideale Plattform an. Mainstream ist gefragt, menschliches Konformitätsverhalten, denn der Mensch ist prinzipiell nicht gern anderer Meinung. Er passt sich lieber an. Menschen lechzen auch nach Bestätigung und diese finden sie in Kreisen, wo man sich gegenseitig in einer Meinung, Ideologie, Auffassung oder Idee zustimmt. Die selbstreferenzielle Internet-Community, die sich regelmässig selbst beipflichtet, ist ein klassisches Beispiel. Warum wollen wir Gegenargumente nicht hören? Überaus viele Menschen meiden Informationen, die nicht zu ihrer Weltsicht passen. Lange nahmen Fachleute an, dass dadurch eben das Selbstbild bedroht werde. Tatsächlich scheint es aber eher an Überheblichkeit und Zorn zu liegen. Das Geschrei der Social-Media-Gestalten, die es um die Wette schwer haben, Problem-Flausen auszuhecken, verpassen sogenannten Debatten seit Jahren eine zornige Grundierung.
Eigentlich sind wir es in unserer bewährten und bislang stabilen Demokratie mit ihrem ausgeprägten Minderheitenschutz gewohnt, die Dinge offen auszudiskutieren, um danach Mehrheitsentscheide zu fällen und umzusetzen und sich nicht von einer Handvoll Leute, die sich unwohl fühlen, mit Gebrüll die politische Agenda aufzwingen zu lassen. Wie kommt es zu diesem Despotismus lautstarker, offensiver, nicht repräsentativer Minderheiten? Eine Meinung ist nie bloss jemandes Meinung. Auch in meiner Meinung hallen die Stimmen anderer mit. Ich befinde mich in einem sich ständig verändernden Meinungsumfeld. Minderheiten wiederum können das Meinungsumfeld auf eine Art und Weise manipulieren, dass der Schein entsteht, es handle sich um einen Mainstream. Vor allem in sozialen Netzwerken, wo man ohnehin nicht sicher ist, ob die geäusserten Meinungen von realen Personen, Trolls oder Bots – also Pseudopersonen – stammen, grassiert aktuell diese subversive Form der Manipulation. Weiterlesen...

Bäumiges

Über Bäume sagt man, sie seien die grünen Lungen der Erde, Rohstoff- sowie Energielieferanten und Klimawandelbremsen. Sie zählen in der Tat zu den beeindruckendsten Lebewesen auf unserem Planeten. Wo das Klima nicht zu trocken oder zu kalt ist, dominieren Bäume die Landschaft. Wo sie wachsen, sind sie ein zentraler Baustein des Ökosystems. Unser globales Ökosystem wäre ohne die Leistungen der Bäume gar nicht vorstellbar. Bäume dienen auch dem Schutz. Ein Schutzwald ist ein hohes Gut, denn er beschirmt tiefer unten liegende Siedlungen und Verkehrswege vor Erosion, Lawinen, Muren, Steinschlag und Hochwasser. Aber es gibt noch wesentlich mehr zu sagen über Bäume.
Seit er seinen Bestseller «Das geheime Leben der Bäume» veröffentlich hat, kommt man an Peter Wohlleben nicht mehr vorbei, wenn man über Bäume spricht oder schreibt. Der diplomierte Förster erzählt in diesem Buch – meiner Meinung nach etwas an der Esoterik kratzend - faszinierende Geschichten über die ungeahnten und höchst erstaunlichen Fähigkeiten, über welche Bäume verfügen sollen, so zum Beispiel, dass sie miteinander kommunizieren, ihren Nachwuchs, aber auch alte und kranke Nachbarn liebevoll umsorgen und pflegen, Empfindungen haben, Gefühle und ein Gedächtnis. Er erklärt des weiteren, wie Bäume über ihr Wurzelsystem mit einem Pilz, dem Mykorrhiza, Kontakt aufnehmen und damit mit anderen Bäumen Informationen austauschen können. Er nennt es das "Wood Wide Web".Weiterlesen...

Die zehn Wörter des Jahrzehntes

Alle Jahre wieder sind wir gespannt - nicht ob der Weihnachtsmann kommt, nein - sondern welcher Ausdruck es zum „Wort des Jahres“ schafft oder anders gesagt, welchen Begriff die befugte Kommission zum „Wort des Jahres“ wählt. In Deutschland wird diese Auslese seit 1977 von der Gesellschaft für deutsche Sprache publiziert. Der Tatsache überdrüssig, dass in der Folge immer häufiger Begriffe gewählt wurden, die einen spezifischen Bezug zu Deutschland hatten, begannen die anderen Länder des deutschsprachigen Raumes ihre eigenen Wörter des Jahres zu wählen. So beschlossen Österreich 1999 und die Schweiz anno 2003 die Kürung eines eigenen Wortes des Jahres. Zudem wird jährlich - was offenbar bedeutend leichter zu bewerkstelligen ist - ein „Unwort“ gewählt, ab und an auch ein „Satz des Jahres“ und seit 2008 wird auch ein „Jugendwort des Jahres“ veröffentlicht. Mal handelt es sich beim Wort des Jahres um einen Neologismus, der offenbar in der sogenannten Szene populär ist, mal wird die Statistik bemüht und man wählt gemeinhin das von den Journalisten am häufigsten verwendete, mal trifft die Wahl einen Ausdruck, der in der Politik zu einem beliebten Bonmot avancierte.Weiterlesen...

Schreiben oder Warum Platon die Schrift verteufelte

Zum Thema Schreiben kommt mir als Erstes eigenartigerweise das Adjektiv gonzo in den Sinn. Erst in zweiter und dritter Linie sehe ich Jean Paul Sartre mit einer Zigarette lässig im Mund, in einem Pariser Bistro, einen Text in sein Notizbuch schreiben oder Ernest Hemingway konzentriert vor seiner Schreibmaschine sitzen.
Zum Begriff Gonzo: Bei der Lektüre eines Artikels über den Journalisten Hunter S. Thompson, hatte der Begriff Gonzo-Journalismus mein Interesse geweckt. Thompson hatte diese Art von Journalismus eigentlich eher durch Zufall kreiert, indem wegen eines Terminproblems, ein ganz und gar unausgereiftes Manuskript von ihm publiziert werden musste, worauf der zuständiger Redaktor diese Art von Text eben als Gonzo-Journalismus bezeichnete. Das Charakteristische daran ist, dass der Gonzo-Journalist sein eigenes Erleben in den Vordergrund stellt. Er schreibt radikal subjektiv, mit starken Emotionen und absichtlichen Übertreibungen. Die Grenze zwischen realen und fiktiven Erlebnissen verschwimmt dabei grösstenteils. Als Stilelemente werden Sarkasmus, Schimpfwörter, Polemik, Humor und Zitate verwendet. Wenn ich all dies etwas überdenke, so komme ich zur Feststellung, dass meine Texte auch von Gonzo angehaucht sind. Nach strengen journalistischen Kriterien handelt es sich beim Gonzo-Journalismus gar nicht um Journalismus sondern um Literatur. Das ist aus meiner Sicht ja geradezu perfekt. Das Adjektiv gonzo steht nun also seit damals als englischer Slang-Ausdruck für „aussergewöhnlich“, „exzentrisch“ beziehungsweise „verrückt». In Bezug auf den Journalismus kann man es etwa mit „deutlich von den Gefühlen des Verfassers geprägt“ und „angefüllt mit bizarren oder subjektiven Vorstellungen, Kommentaren und dergleichen“ übersetzen. Angefeuert von seinem Verleger wurde Thompson durch sein weiteres Schaffen zum bedeutendsten Vertreter des Gonzo-Journalismus. Er definierte den Gonzo-Stil für sich selbst als einen „professionellen Amoklauf“. Der Journalist möchte über ein bestimmtes Ereignis schreiben, das im Extremfall - sollte es gar nicht eintreten - auch selbst arrangiert werden kann. Durch die Technik der Neuen Medien, zum Beispiel in Blogs, erlebt der Gonzo-Journalismus seit den 2000er Jahren eine wahrhafte Renaissance.Weiterlesen...

Fussnotenprosa

Es gibt Leute, die jede Fussnote lesen und solche– wie ich zum Beispiel -, die Fussnoten geflissentlich überlesen. Erstere können nicht umhin, sich jede erdenkliche Information, insbesondere wenn sie denn noch im Kontext einer Lektüre steht, einzuverleiben. Man verpasst ja sonst schon viel. Letztere lassen sich ungern stören und sie empfinden Fussnoten als Ablenkungsmanöver und Störfaktoren ihrer Lektüre.
Nun, Sie haben ein unverschämtes Glück, denn Sie können – wenn Sie denn zu den Fussnotenlesern gehören - hier ein besonders eindrückliches Exempel von Fussnotenprosa (1) lesen.Weiterlesen...

Dem Denken ein Denkmal I

DerDenker

Denken ist anstrengend und fehleranfällig. Trotzdem versuche ich es, denn ist es an der Zeit, mal ein paar Gedanken zum Denken zu Papier zu bringen. Es lässt sich dabei nicht vermeiden, den sattsam wiederholten, in passenden und völlig unpassenden Situationen zitierten, ersten Grundsatz des Philosophen René Descartes zu erwähnen: „Cogito, ergo sum“ (Ich denke, also bin ich), den er 1641 in seinem Werk „Meditationes de prima philosophia“ formulierte.
Irgendwie komplizierter und damit - meiner Ansicht nach - auch noch etwas philosophischer, erscheint mir der Titel eines grossen Hits von Juliane Werding: «Wenn Du denkst Du denkst, dann denkst Du nur Du denkst.» Dabei geht allerdings weniger um das Denken an sich, als vielmehr um das vermeintlich primitive, scheuklappenartige Denken der Männer, denn dass das männliche Denken primär testosterongesteuert sei, ist ein weit verbreiteter Mythos. Wie sagte doch Friedrich Dürrenmatt so pointiert: „Die Frau hat das Denken im männlichen Sinne nicht nötig.“

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Hintergründe

Die Mitglieder meiner Generation erinnern sich bestens und gerne an das Cover, welches die LP „Abbey Road“ der Beatles schmückte. Die vier Pilzköpfe aus Liverpool, wie sie im Gänsemarsch tüchtig ausschreitend einen Zebrastreifen (Fussgängerstreifen) der gleichnamigen Strasse überqueren. Doch den Hintergrund des Bildes haben wir alle nicht mehr im Kopf. (Zur Erinnerung: Man sieht eine endlos erscheinende, schnurgerade verlaufende Strasse, links – mit zwei Rädern auf dem Trottoir - steht ein weisser VW-Käfer und am rechten Strassenrand ist, nebst mehreren anderen Autos, zuvorderst ein London-Taxi parkiert.)
So geht es uns doch mit vielen Hintergründen. Dabei sind es gerade die, welche viele Bilder aber auch Fotographien zu dem machen was sie sind. Bedenken Sie bloss, dass die meisten Selfies ja in der Regel vor einer imposanten, exklusiven, landschaftlich ausserordentlichen oder kulturell trächtigen Kulisse gemacht werden.
Und dann gab es damals auch diesen berühmten Film, der auf einem Detail im Hintergrund des Bilder eines Fotografen basierte: „Blow up“. Sie erinnern sich:
Der erfolgreiche Fotograf Thomas arbeitet im London der 60er Jahre an einem Bildband mit Strassenfotografien. Auf der Suche nach weiteren Motiven macht er in einem Park Fotos von einem Paar, das er jedoch nicht um Erlaubnis gefragt hat, worauf die Dame von ihm die Herausgabe der Fotos verlangt. Sie sagt, dass der Mann, mit dem sie im Park war, ihr Geliebter sei und die Bilder daher vernichtet werden müssten. Der Fotograf überreicht ihr eine Filmpatrone, aber diejenige eines anderen Films. Beim Vergrössern, dem „blow up“, der Fotos des Paares, entdeckt Thomas abseits im Gebüsch einen Mann mit einer Pistole mit Schalldämpfer. Auf Abzügen späterer Fotos ist der Geliebte der Frau reglos unter einem Baum liegend zu sehen. Der Fotograf ist verunsichert. Hat er einen Mord fotografiert?Weiterlesen...

Über Bücher I

„Das Buch ist ein technisch vollendetes Meisterwerk (wie der Hammer oder die Schere), das sich, soviel man auch erfinden mag, nicht mehr verbessern lässt." Diese Aussage stammt von niemand geringerem als Umberto Eco. Doch die erwähnte, durchschlagende Erfindung hatte – ganz im Gegensatz zu unzähligen Start-Ups unserer Zeit - einen schwierigen, harzigen Start, denn die Herstellung der ursprünglichen Materialien Papyrus und Pergament war beschwerlich, zeitaufwändig und teuer, bedeuteten jedoch ein Quantensprung gegenüber den bisherigen Tontafeln.
Eine wirklich geniale Erfindung war diejenige des Kodex. Man kann diesen als „Urbuch“ bezeichnen. Kodex nannte man ursprünglich einen Stapel beschrifteter oder zur Beschriftung vorgesehener Holz- oder Wachstafeln, in der Folge dann ein von zwei Holzbrettchen umschlossener Block gefalteter oder gehefteter Papyrus- oder Pergamentblätter. Die bequemere Handhabung war ein entscheidender Vorteil des Kodex gegenüber der älteren Buchform, nämlich der Schriftrolle. Diese nunmehr führende Buchform hat sich dann seit der Ablösung der Rolle in der Spätantike nicht mehr wesentlich verändert.
Damit aber ein Buch erst entsteht, also aus einem Manuskript ein bequem lesbares Schriftstück wird, braucht es ein gerüttelt Mass an technischen Arbeitsschritten.
Die Herstellung eines Buches ist in der Tat ein interessanter Prozess.Weiterlesen...

Die elektronische Drehscheibe


Drehscheibe

Die Frau meines Freundes wirkt auf mich wie ein Hub. Als Hub, englisch für Knotenpunkt oder Nabel, bezeichnet man insbesondere Umsteigeflughafen. Luftfahrt-Drehkreuz oder –Drehscheibe, kurz Hub, nennt man nämlich einen Verkehrsknotenpunkt einer Fluggesellschaft oder einer Allianz verschiedener Fluggesellschaften zum Umstieg zwischen Kurz-, Mittel- und Langstreckenflügen.
Kürzlich kam ich mit Silvia, so heisst nämlich die Frau meines Freundes, aus welchen Gründen auch immer, auf Facebook zu sprechen. Ich persönlich weigere mich aus verschiedensten - aus meiner Warte triftigen - Gründen an diesem sozialen Netzwerk teilzunehmen. Da ich also nicht viel über Facebook wusste, ausser dass das Unternehmen an der Börse einige Millionen Dollar wert ist, musste ich eine relativ ausgedehnte Einführung über mich ergehen lassen.

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Limiten

Leseprobe aus "NASENSTÜBER 3 - Fragmente"


Mit Sicherheit kennen Sie die rechteckigen etwas unscheinbaren Tafeln, die hochkant in etwa zwei Metern Höhe montiert anzeigen wie schnell man gerade fährt. In oranger Farbe wenn man zu schnell fährt, zum Beispiel mit 60 km/h innerhalb einer 50er-Zone, in grünen Ziffern wenn man korrektem Tempo unterwegs ist, also in unserem Beispiel mit weniger als 50 km/h. Orange verursacht zumindest ein leichtes Ziehen in der Magengegend oder je nach Menschentyp sogar eine leichte Atemnot, während die grüne Farbe wohl bei allen die Ausschüttung von Glückshormonen stimuliert und von einer gewissen Süffisanz begleitet ist. Weiterlesen...

Der Schrittsammler

Leseprobe aus "NASENSTÜBER 3 - Fragmente"

(Siehe "Bücher")

Jeden Morgen zur selben Zeit wie ich war auch er unterwegs. Immer wenn ich zur Bushaltestelle hinunterlief, fiel er mir auf, der etwas ältere Herr mit etwas wuscheligen Haaren, Hut und einem beigen Regenmantel. Man könnte meinen ein Abbild von Kommissar Maigret. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Herrn R. Mit gesenktem Kopf und etwas vornüber geneigt, ging er gemütlichen oder gemächlichen Schrittes, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Fahrweg entlang, als ob er seine Schritte zählte oder Schritte sammeln würde. Zuerst dachte ich mir überhaupt nichts dabei, denn ein Mann in seinem Alter war allenthalben gut für einen Morgenspaziergang und dass das Dritte Alter einem festgefahrenen Rhythmus folgt ist ja auch sattsam bekannt. Irgendwann begannen wir uns zu grüssen aber das war es denn auch an verbaler Kommunikation. Gelegentlich war Herr R. für ein paar Wochen verschwunden und ich begann mir jedes Mal schon ernsthafte Sorgen zu machen. Aber dann war er wieder da und „sammelte“ weiterhin seine Schritte. ‚Wie auch immer,‘ dachte ich ‘man kann ja allerlei Schritte sammeln: Schritte in die richtige Richtung, grosse, kleine, unregelmässige, zögerliche, feierliche oder erste Schritte.Weiterlesen...