Nasenstüber

Kolumnen

Die Opferrolle

Als Mitglied irgendwelcher Minderheit, gereicht einem das zur Zeit zu unzähligen und ungeahnten Vorteilen. Nicht nur, dass man überproportional wahrgenommen wird, sondern man geniesst auch allerlei Vorzüge und Sonderbehandlungen. Diese können finanziell im Sinne von Subvention oder Unterstützung sein, oder gesellschaftlich, indem man einerseits umschwärmt und umgarnt wird andererseits jedoch als unantastbar gilt. Man geniesst eine Art «Welpenschutz». Es wird erwartet, dass man diesen Teilen der Gesellschaft mit übermässiger Vorsicht und Behutsamkeit begegnet.
Sie selbst wiederum nehmen sich ungezügelte Freiheiten heraus und erlauben sich Dinge respektive Verhalten, für die andere Teile der Gesellschaft geächtet werden. Mittlerweile werden diese Vorteile geradezu penetrant und lauthals eingefordert.
Möglich macht all dies die sogernannte Opferrolle. Sie ist zur Zeit eine Paraderolle für alle, die sich vom Normalen, vom sogenannten Mainstream abheben wollen.
Minderheiten, die sich in einer Opferrolle gefallen, werden inzwischen von vielen Parteien, Organisationen und Institutionen hofiert und umworben.
Allen voran von der Journaille. Eine LGBTQ+Demo (es tut mir Leid, aber irgendwie erinnert mich dies an den Begriff «QWERTY-Tastatur») ist heutzutage ein deutlich grösserer Hype respektive Scoop, als die Delegiertenversammlung eines noch so wichtigen Bünzli-Vereins. Aber auch Politiker kriechen diesen Leuten in den Hintern, umgarnen sie und fassen sie mit Samthandschuhen an, weil sie sonst Stimmen für ihre Wiederwahl zu verlieren meinen.
Letztes Jahr lancierte Tiktok in Deutschland eine neue Kampagne, um auf Kunst, Kultur und Diversität aufmerksam zu machen. Das ist ja höchst erfreulich. Nun geht die Aktion aber in die nächste Runde und motiviert vor allem die „queeren“ Kulturinstitutionen mitzumischen. Es wundert einen nicht, dass offenbar besonders LGBTQ+Institutionen viele Followerinnen und Follower in der vielfältigen Tiktok-Community für sich gewinnen konnten. War es in früheren Zeiten schwierig bis unmöglich mit einem anderen Seinsgefühl zu leben, so wird heutzutage das Anderssein geradezu zelebriert und man erwartet, dass allesamt dies nicht nur akzeptieren, sondern auch noch honorieren. Selbst mit den verschrobensten Ideen und Ideologien hält man nicht mehr hinter dem Berg.
Wenn man sich nicht mehr anderweitig, d.h. durch Wissen oder Können in Szene setzen kann, man der Meinung ist, dass es einem an Zuneigung und Respekt fehle, man alles Unangenehme, Unerfreuliche und Unerwünschte von sich fernhalten möchte (die Generation Schneeflocke lässt grüssen) oder man sich diskriminiert vorkommt, so schlüpft man sofort in die achtunggebietende Opferrolle. Dann ist man fein raus, man hat sozusagen gesellschaftlich ausgesorgt. Alles wird möglich, man hat eine soziale «carte blanche». Man hängt sich sozusagen das Schild «Unberührbar» um den Hals.
Schlussendlich hat ja die ganze Rassismus-Debatte – um nicht zu sagen -Indoktrination - auch die ganze «woke»-Industrie heraufbeschworen, die oft mit aktivistischem oder gar militantem Eintreten für den Schutz von Minderheiten einhergeht.
Tagelang habe ich für mich eine passende Opferrolle gesucht. Mit LGBTQ+ habe ich rein gar nichts am Hut und ethnisch kann ich auch keine Mitgliedschaft einer Minderheit geltend machen. Ich bin kein Dart-Profi, kein Golfballtaucher und auch kein Robotertrainer. Aber endlich bin ich fündig geworden: Ich bin Hörgeräteträger. Schon sehe ich mich von allen Seiten bemitleidet und habe ja auch von der Krankenkasse diesbezüglich Subventionen erhalten. Aber ehrlich gesagt, es ist phantastisch mit Hörgeräten wieder an der allgemeinen Unterhaltung, an Diskussionen und Tischgesprächen teilnehmen zu können und nicht mehr durch die Schwerhörigkeit stigmatisiert zu sein, so dass ich eigentlich sehr gerne auf eine zwanghafte Opferrolle verzichte und mich freudig wie ein normaler Mensch benehme.
Ein homosexueller Journalist hat sich kürzlich tatsächlich darüber beklagt, dass es heute nicht mehr genüge schwul zu sein, um als Opfer zu gelten, respektive als solches wahrgenommen zu werden. Tja, so schnell und unerwartet ist so mancher - schneller als es ihm lieb ist - eines als todsicher und langfristig erachteten Vorteils verlustig gegangen.