Nasenstüber

Kolumnen

Das Stellwerk

Das Leben gleicht einem Stellwerk. Es hat etwas absolut Faszinierendes, so ein Stellwerk. Da werden die Züge in unterschiedlichste Richtungen dirigiert und geleitet. Der Job eines Stellwerkangestellten ist denn auch in höchstem Masse anspruchs- und verantwortungsvoll. Aber auch in unserer Sprache haben wir mit dem Wort „stellen“ die Möglichkeit allerlei in verschiedenste Bahnen zu lenken, in divergente und differente Richtungen zu bringen. Und zwar nicht nur nach links oder rechts, nein auch nach oben und nach unten sowie nach hinten und nach vorne. Dazu können wir sogar noch etwas ein- oder ausstellen. Mit unserer Sprache sind wir in der Lage ein mehr als bloss dreidimensionales Stellwerk zu bedienen. Kein Wunder kommt es da sporadisch zu einer Stellwerkstörung.
Immer und überall im Leben wird etwas gestellt: umgestellt, hergestellt, vorgestellt, abgestellt, eingestellt, hingestellt, verstellt, aufgestellt, was Sie wollen.
Man kann etwas hochstellen, runterstellen, beistellen, umstellen, bereitstellen oder verstellen je nach Lust und Laune manchmal aber auch gemäss einer eingegangenen Verpflichtung, wobei die aktuell grassierende Unverbindlichkeitsmentalität auch hier Spielraum offen zu halten meint.
Es ist einerseits sehr attraktiv aber andererseits gelegentlich auch etwas störend oder unangenehm das eigene Leben in neue Bahnen zu lenken. Es gibt Leute, die gerne möglichst oft die Richtung wechseln, entweder unstet oder aber weltoffen und experimentierfreudig. Daneben gibt es Menschen denen jede Richtungsänderung ein totaler Gräuel ist, für die eine „Weichenstellung“ ein absolutes Ungemach darstellt.
Als Dreikäsehoch fragte mich damals meine Mutter: „Was hast Du angestellt?“ Heute hingegen fragt mich mein Geschäftspartner: „Wen hast Du angestellt?“ Wenn jemand in einem Betrieb eingestellt wird, ist er in der Folge ein Angestellter, aber jemand der etwas angestellt hat wird in der Regel nicht eingestellt. Und wenn man jemanden zwingt Stellung zu nehmen, so meint man damit nicht, dass er beruflich eine bestimmte Stelle einnehmen oder sich für diese entscheiden solle, aber man kann eine leitende Stellung bekleiden. Für ganz besondere Stellungen ist das Kamasutra zuständig und für die Habacht- respektive Achtungsstellung das Militär.
Stellen Sie sich einmal vor, sie würden im Theater nach einer Vorstellung dem Hauptdarsteller vorgestellt. Bloss die Vorstellung dieser Gegenüberstellung stellt einem die Haare zu Berge!
Fussballfans sind vor einem Match natürlich besonders auf die Mannschaftsaufstellungen erpicht. Diese entsprechen Schlachtaufstellungen, ganz so wie ich anno dazumal meine Zinnsoldaten aufstellte, gemäss den Schlachtplänen berühmter alter Generäle. Da gab es auch Angriff und Verteidigung. Im Gegensatz zum Fussball aber waren dort Flanken besonders schützenswerte Stellungen bestimmter Armeeeinheiten. Tore gab es damals noch nicht, ausser Stadttore, die im Mittelalter zur Einnahme eines Ortes bezwungen werden mussten.
Ab und zu stellt sich die Frage, ob man nicht auf der Stelle tritt, ob man an der richtigen Haltestelle ausgestiegen ist oder von welcher Anlegestelle aus das Ausflugsboot ablegt. Eigentlich hätte ich gerne an der Party teilgenommen aber dann musste ich leider feststellen, dass das Fest nur gestellt war.
Apropos Stellwerk: Man kann wohl etwas bewerkstelligen, aber nichts bestellwerken. Ja, ja, auf die richtige Einstellung kommt es an. Glücklich, wer für sich die richtige Einstellung gefunden hat und ich meine damit nicht diejenige an der Digitalkamera sondern die in Bezug auf seinen Lebensplan, überhaupt die Einstellung zum Leben, zu den Mitmenschen und zu der Umwelt. Wie weit es Ihre soziale Stellung beeinflusst, wenn Sie jemandem nachstellen sei dahingestellt.
Nun habe ich wirklich alles auf den Kopf gestellt und brauche mein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.
Wenn Sie sich irgendwo vorstellen müssen, die Möbel umstellen wollen oder noch etwas bestellen möchten nur zu, ich halte hier solange die Stellung damit es nicht zu einer Stellwerkstörung kommt! Aber ein bisschen beeilen müssen Sie sich schon, denn ich habe danach noch ein Stelldichein.