Nasenstüber

Kolumnen

Die zehn Wörter des Jahrzehntes

Alle Jahre wieder sind wir gespannt - nicht ob der Weihnachtsmann kommt, nein - sondern welcher Ausdruck es zum „Wort des Jahres“ schafft oder anders gesagt, welchen Begriff die befugte Kommission zum „Wort des Jahres“ wählt. In Deutschland wird diese Auslese seit 1977 von der Gesellschaft für deutsche Sprache publiziert. Der Tatsache überdrüssig, dass in der Folge immer häufiger Begriffe gewählt wurden, die einen spezifischen Bezug zu Deutschland hatten, begannen die anderen Länder des deutschsprachigen Raumes ihre eigenen Wörter des Jahres zu wählen. So beschlossen Österreich 1999 und die Schweiz anno 2003 die Kürung eines eigenen Wortes des Jahres. Zudem wird jährlich - was offenbar bedeutend leichter zu bewerkstelligen ist - ein „Unwort“ gewählt, ab und an auch ein „Satz des Jahres“ und seit 2008 wird auch ein „Jugendwort des Jahres“ veröffentlicht. Mal handelt es sich beim Wort des Jahres um einen Neologismus, der offenbar in der sogenannten Szene populär ist, mal wird die Statistik bemüht und man wählt gemeinhin das von den Journalisten am häufigsten verwendete, mal trifft die Wahl einen Ausdruck, der in der Politik zu einem beliebten Bonmot avancierte.
Immer wieder einmal muss uns sogar die Bedeutung des erkorenen Begriffs erläutert werden weil er besonders abstrus oder abstrakt ist und sehr oft wird eine wirtschaftspolitisch einschneidende Massnahme oder planwirtschaftlich ausufernde Direktive ausgewählt. Wenn einem gar nichts mehr einfällt wählt man halt ein Symbol wie zum Beispiel das Rautezeichen – Schweiz 2014 - oder ein Piktogramm als „Wort“ des Jahres wie es unlängst die Redaktion des Oxford English Dictionary getan hat.
Unter dem Titel 100 Wörter des Jahrhunderts wurde 1999 eine Sammlung von genau dieser Anzahl Wörtern, die als für das 20. Jahrhundert besonders bezeichnend angesehen wurden, von einer Jury prominenter Persönlichkeiten eines Medienverbundes bestehend aus einem Fernsehsender, einer Radiostation, einer Zeitung und einem Buchverlag aus Deutschland in verschiedenen Medien vorgestellt. Unter dem Buchstaben „U“ finden sich nur drei Wörter, nämlich U-Boot, Umweltschutz und Urknall. Mir fehlt nun aber in dieser Liste eindeutig ein Wort: „Umverteilung“. Man kann ja kaum eine Zeitung aufschlagen, ein Interview am Radio mithören oder eine Fernsehdiskussion verfolgen, ohne dass mehrmals der Begriff „Umverteilung“ bemüht wird. Ursprünglich fand der Begriff Verwendung für die sozial- beziehungsweise wirtschaftspolitische Massnahme, welche die Verschiebung von verfügbarem Einkommen oder Kapital zur Folge hat. Mit dem Begriff wird in neuerer Zeit aber euphemistisch die Reduktion der Unterschiede des Wohlstands umschrieben. Die wohl bekannteste Methode der Umverteilung erfolgt mittels der Einkommens- und Vermögenssteuer. Hier findet eine Umverteilung von den Reichen hin zu den Armen statt. Doch es gibt viele weitere Arten der Umverteilung, Subventionen zum Beispiel. Daneben gibt es vor allem in den Sozialversicherungswerken auch eine sogenannte horizontale Umverteilung. Dabei findet beispielsweise eine Umverteilung von den Beschäftigten zu den Erwerbslosen oder von den Gesunden zu den Kranken statt. Umverteilung ist ein ewiger Streitpunkt in der Sozialpolitik. Allgemein ist man sich einig, dass eine Umverteilung von den Reichen zu den Armen stattfinden muss wobei allerdings die Meinungen über die Höhe und die Art der Umverteilung auseinandergehen wie das nachstehende Beispiel zeigt. Im ölreichen Norwegen wird die Umverteilung durch eine demokratisch gewählte Regierung mittels hohen Steuern und Sozialabgaben kontrolliert somit kommt der Wohlstand breiten Bevölkerungsschichten zugute. Im ölreichen Nigeria hingegen fehlen staatliche Regelungen zur Umverteilung weshalb nur einige Wenige vom Wohlstand profitieren. Eine andere Art Umverteilung findet momentan in Bezug auf das CO2 statt. Für jede Tonne CO2, die die Industrie ausstossen möchte, muss sie ein entsprechendes Zertifikat vorweisen. Dieses Zertifikat kann gehandelt werden. Der Preis wird an den Strombörsen in Leipzig und London festgelegt. Die Emittenten haben die Wahl: sie können Zertifikate kaufen oder ihren Ausstoss durch Investitionen in klimaschonende Techniken senken und die dadurch eingesparten Zertifikate verkaufen. So wird stets dort in den Klimaschutz investiert, wo das am günstigsten ist. „Die bevorstehende Klimakonferenz wird zu einem Tummelplatz der Umverteilungskünstler.“ Titelte denn auch unlängst eine Zeitung. Des weiteren wird man den Gedanken nicht los, dass auch eine Umverteilung des Rechts im Gange ist, denn was die USA momentan mit ihrem Rechtsimperialismus anstreben ist gelinde gesagt eine Umverteilung des Rechts.
Auch die sogenannte kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) ist vielmehr eine Umverteilungsmaschine zwischen Solarinvestoren, die aber voll zu Lasten der Konsumenten und Mieter geht.
Neuerdings sollten in Europa sogar Flüchtlinge umverteilt werden mit der Idee, dass jedes Land gemäss seiner Grösse den proportional adäquaten Prozentsatz Flüchtlinge aufnehmen müsste.
Leider kann man aber Intelligenz sowie Respekt und Anstand nicht umverteilen, sonst hätte es der Begriff sicher auf die Liste der 100 Wörter des Jahrhunderts gebracht. Deshalb möchte ich die Kür der „10 Wörter des Jahrzehntes“ vorschlagen. Als ersten Kandidaten – Sie vermuten absolut richtig – möchte ich „Umverteilung“ vorschlagen. Die restlichen neun können Sie selbst wählen.