Nasenstüber

Kolumnen

Limiten

Leseprobe aus "NASENSTÜBER 3 - Fragmente"


Mit Sicherheit kennen Sie die rechteckigen etwas unscheinbaren Tafeln, die hochkant in etwa zwei Metern Höhe montiert anzeigen wie schnell man gerade fährt. In oranger Farbe wenn man zu schnell fährt, zum Beispiel mit 60 km/h innerhalb einer 50er-Zone, in grünen Ziffern wenn man korrektem Tempo unterwegs ist, also in unserem Beispiel mit weniger als 50 km/h. Orange verursacht zumindest ein leichtes Ziehen in der Magengegend oder je nach Menschentyp sogar eine leichte Atemnot, während die grüne Farbe wohl bei allen die Ausschüttung von Glückshormonen stimuliert und von einer gewissen Süffisanz begleitet ist.
Ich finde diese Anzeigetafeln bedeutend besser als Bussen und Massregelungen von Seiten der verkehrsdirigierenden Behörden. Mehr noch, eigentlich finde ich sie geradezu phantastisch gut, denn wie ich nun dank diesen Anzeigetafeln erfahren habe, zeigt der Tacho meines Autos generell etwa 7 km/h zu wenig an. Ich kann also bei einer erlaubten Limite von 80 km/h unbedenklich so schnell fahren, dass mein Tachometer knapp 90 km/h angibt ohne eine Busse zu riskieren und stellen Sie sich bloss vor wie viel Zeit ich im Schneckentempo vergeudet hätte, wenn mir diese verkehrstechnischen Tempoanzeigen nicht klipp und klar aufgezeigt hätten, dass ich zu langsam unterwegs bin. Ganz zu schweigen von Magengeschwüren der vielen verärgerten Verkehrsteilnehmern die hätten hinter mir herschleichen müssen.
Auch der seit neuerer Zeit verbindliche und vorschriftsgemässe Aufdruck des Kaloriengehaltes unterschiedlichster Nahrungsmittel hat sicher den Vorteil, dass einige Zeitgenossen sich etwas konkreter als bisher Gedanken über ihren Kalorienverzehr machen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich einen schrecklichen Traum. Wo ich auch ging, was ich auch tat, von überall her leuchteten mir Warnschilder und Vorsichtshinweise entgegen. Als ich mich gerade am Esstisch niederlassen wollte, stand auf einer Tafel, die ich vorher noch nie gesehen hatte, zu lesen: „Sie verleiben sich soeben 723 Kalorien mehr ein als Ihr täglicher Bedarf beträgt.“ Nach dem Betreten des Fitness-Studios schrillte eine Glocke und in riesengrossen Lettern stand auf einer Anzeigetafel: „Ihr Saldo an Trainingseinheiten beträgt 5 Einheiten im Minus.“ Aber nicht genug, Unheil ahnend wollte ich danach an meiner Bankfiliale vorbeischleichen als plötzlich ein greller, blinkender Pfeil auf einen Monitor hinwies, wo zu lesen war: „Sie haben Ihr Konto um 1,5% der erlaubten Marge überzogen.“ und als ich an die Tankstelle fuhr, zeigte die Zapfsäule anstelle eines Betrags einen Text, nämlich: „Sie sind mit Ihren Pneus 3128 Kilometer weiter gefahren als vom Hersteller her zulässig.“ Endlich wollte ich mich mit meinem Laptop aufs Sofa setzen als mein Computer ein Warnsignal aussandte. Auf dem Bildschirm stand nur ein Satz: „Du hast die monatlich erlaubte Höchstdosis an Kolumnen geschrieben.“ Schweissgebadet bin ich aus diesem Albtraum aufgewacht.
Überglücklich habe ich gestern eine milde Geldstrafe wegen einer minimen Geschwindigkeitsübertretung innerorts bezahlt, um danach im Auto unbehelligt eine halbe Tafel Schokolade zu essen und anschliessend zu Haus wiederum ohne Warnsignale und Vorschriften noch eine ganze Tüte Salznüsschen zu vertilgen. Ach ja, hätte ich beinahe vergessen: Beim Bargeldbezug am Bankomat hat auch niemand reklamiert und die Turnschuhe im Schuhgestell geben auch keinen Warnton von sich.